Architektourist

Der Podcast für Architektur, Bautechnik und Baukultur - von und mit Alexandra Busch.

#55 Plan.Stimme – Dr. Wolfgang Eden, Bundesverband Kalksandsteinindustrie e.V.

Zukunft ermöglichen: Was es heißt, mit Forschung den Wandel zu gestalten

22.10.2025 26 min

Zusammenfassung & Show Notes

Wie wird aus einem klassischen Mauerstein ein zukunftsfähiger Baustoff? Und welche Wege führen vom Forschungslabor bis in die Baupraxis, ohne dass Erkenntnisse unterwegs verloren gehen? In dieser dritten und letzten Folge der Mini-Serie zum 125-jährigen Bestehen des Bundesverbands Kalksandsteinindustrie spreche ich mit Dr. Wolfgang Eden, Leiter der Forschungsvereinigung Kalk-Sand e. V. und Fachbereichsleiter für Forschung, Technologie und Umwelt beim Bundesverband Kalksandsteinindustrie.

Seit mehr als drei Jahrzehnten prägt er als Forscher, Entwickler und Brückenbauer zwischen Theorie und Praxis die Branche. Wir sprechen über Forschung, die Spuren hinterlässt: über die Roadmap zur Klimaneutralität, über Kreisläufe, Recyclingnormen und über die Frage, wie aus Daten, Dampf und Dialog klimagerechtes Bauen entstehen kann.

Einblicke in diese Episode:
  • Forschungsarbeit der Kalksandsteinindustrie  
  • Roadmap zur Klimaneutralität  
  • Natürliche Rekarbonatisierung: CO₂ wird dauerhaft im Stein gebunden
  • Recycling als Kreislaufstrategie  
  • Digitalisierung und KI im Dienst effizienterer und klimafreundlicherer Produktion
  • Das neue Nachhaltigkeitsgütesiegel der Kalksandsteinindustrie

Der Podcast:
Architektourist bietet eine Hörreise durch unsere gebaute Umwelt. In jeder Episode nehmen wir Euch mit in die Welt der Architektur und Baustoffe, erkunden kreative Anwendungen und tauchen ein in die Geschichten hinter den Bauprojekten – von der ersten Skizze bis zur fertigen Umsetzung.

Seid bei der nächsten Folge wieder dabei, wenn wir weitere spannende Projekte und Persönlichkeiten aus der Welt des Bauens vorstellen. Wenn Euch die Episode gefallen hat, abonniert Architektourist bei Eurem bevorzugten Podcast-Anbieter.

Ihr habt Fragen oder Vorschläge? Wir freuen uns auf Eure Nachrichten unter kontakt@architektourist.de.

Transkript

Liebe Architektouristinnen und Architektouristen, diese Episode wird unterstützt vom Bundesverband Kalksandsteinindustrie. Herzlichen Dank dafür. Du hörst Plan Stimme, ein Format von Architektourist. Hier geht es um die Menschen hinter den Plänen, ihre Haltung, ihre Arbeitsweise und ihre Gedanken zum Bauen von morgen. Dies ist Folge 3 der dreiteiligen Miniserie. In dieser Episode Zukunft ermöglichen. Was es heißt, mit Forschung den Wandel zu gestalten. Dr. Wolfgang Eden, Leiter der Forschungsvereinigung Kalk-Sand und Forschungsleiter beim Bundesverband Kalksandsteinindustrie über Dekarbonisierung, Kreislaufwirtschaft und die Frage, wie ein Baustoff zur CO2-Senke wird. Aus Kalk, Sand und Wasser wird Stein. Aus Erfahrung, Neugier und Forschung wird Zukunft. Hier in den Laboren der Kalksandsteinindustrie verbindet sich Handwerk mit Wissenschaft und Geschichte mit dem Willen, weiterzulernen. Anlässlich des 125-jährigen Jubiläums des Bundesverbands Kalk -Sandstein-Industrie ist diese dreiteilige Minipodcast-Serie entstanden. Als akustische Zeitreise durch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eines Baustoffs, der mehr erzählt, als man auf den ersten Blick vielleicht sieht. Mich fasziniert an dieser Geschichte, wie es gelingen kann, einen traditionellen Werkstoff durch mehr als 100 Jahre Wandel zu führen. Vom Dampfkessel zum Datenmodell, vom Werkshof zur Klimaneutralität. Ich habe dafür drei Menschen getroffen, die diese Entwicklung aus ganz unterschiedlichen Perspektiven prägen. Und die zeigen, dass ein Baustoff nur so lebendig ist, wie die Menschen, die ihn weiterentwickeln. In Teil 1 sprach Jan Dietrich Radmacher, Unternehmer in zweiter Generation und Vorstandsvorsitzender des Verbands über Verantwortung im Heute, über Märkte, die stocken, über politische Rahmenbedingungen, die Mut verlangen und über das Bedürfnis, wieder einfacher, klarer und ehrlicher zu bauen. In Teil 2 nahm uns Dr. Hannes Zapf mit auf eine Zeitreise durch 125 Jahre Verbandsgeschichte, von der Erfindung des Dampfverfahrens bis zur Digitalisierung der Werke. Er sprach über Brüche und Neuanfänge, über den Wiederaufbau nach dem Krieg, die Wiedervereinigung und darüber, warum technischer Fortschritt immer auch ein Stück gemeinsames Denken bedeutet. Die ersten beiden Gespräche sind natürlich weiterhin im Podcast abrufbar. Die Links dazu findest du in den Shownotes, falls du jetzt erst bei Folge 3 einsteigst. In diesem dritten und letzten Teil der Serie schauen wir dorthin, wo Wissen zu Werkstoff wird. In die Forschungslabore einer Branche, die den Klimawandel als Wirklichkeit und Auftrag zum Handeln begreift. Es geht um praxisnahe, anwendbare, verbindende Forschung. Forschung, die Dekarbonisierung, Kreislaufwirtschaft und Digitalisierung umsetzt. Mein Gesprächspartner heute ist Dr. Wolfgang Eden. Er leitet beim Bundesverband Kalksandsteinindustrie den Bereich Forschung, Technologie und Umwelt und steht zugleich an der Spitze der Forschungsvereinigung Kalk-Sand. Er verantwortet die Planung und Durchführung von Forschungsprojekten, die Entwicklung neuer Verfahren und die enge Zusammenarbeit mit Industrie, Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Seine Arbeit ist geprägt von einem klaren Ziel, Erkenntnisse in Anwendung zu übersetzen. In dieser Episode erklärt er, wie Kalk-Sandstein zur CO2-Senke wird, warum Recycling längst gelebte Realität ist und weshalb echter Wandel nur gelingt, wenn Erkenntnisse mutig umgesetzt werden. Mein Name ist Wolfgang Eden. Ich bin der Leiter der Forschungsvereinigung Kalk-Sand. Seit 1991 bin ich noch ein bisschen da und habe nach wie vor die helle Freude an Forschung, Entwicklung und allen Dingen, die dazu führen, dass man Erkenntnisse gewinnt, die man dann in der Folge jungen Menschen weitergeben kann, damit die Sache fortläuft, weiter existiert. Wir haben hier ein Kalk-Sandstein-Labor und Technikum. Es sind insgesamt sieben Leute, die bei der Forschungsvereinigung Kalk-Sand angestellt sind. Die Forschungsvereinigung Kalk-Sand gehört zum Bundesverband. Die Kalksandsteinindustrie ist eine Tochter des Bundesverbandes. Wir beschäftigen uns seit geraumer Zeit mit allen Fragen rund um den Kalk-Sandstein. Es geht um Rohstoffe, um verfahrenstechnische Fragen, um die Leistungsfähigkeit, die Eigenschaften von Kalk-Sandstein. Was da im Vordergrund steht, ist die praxisorientierte Forschung. Wir betreiben keine Elfenbeinturm-Forschung, die in der Uni-Bibliothek oder in der Schublade landet. Die Dinge, die wir machen, werden so bearbeitet und so aufbereitet, dass sie nachher kommunikativ, und Kommunikation ist mit eines der wichtigsten Dinge, so aufbereitet werden, dass sie den Mitarbeitern und Kollegen der Kalksandsteinindustrie so präsentiert werden können, dass sie damit etwas konkret anfangen können. Und nicht einfach nur Wissen, sondern nicht einfach nur Wollen umsetzen, sondern es tatsächlich tun. Wir forschen über Werksgrenzen hinweg. Und zwar unterstützen wir unsere Mitgliedsunternehmen seit 1965. Hier in Hannover durch die Vorwettbewerbliche, nennen wir das, und unternehmensübergreifende Gemeinschaftsforschung. Das bedeutet, jeder gibt etwas und jeder nimmt etwas. Forschung als Gemeinschaftsarbeit. Das ist das Prinzip, nach dem Dr. Wolfgang Eden und sein Team in Hannover arbeiten. Sie forschen über Werksgrenzen hinweg, verbinden Erfahrungen mit Neugier und entwickeln Lösungen, die in der Praxis ankommen. Doch worum geht es inhaltlich? Welche Themen bestimmen die Forschung im Moment? Seit die Europäische Kommission 2019 den Green Deal ausgerufen hat, ist klar, Europa soll bis 2050 klimaneutral sein. Deutschland hat dieses Ziel noch einmal verschärft. Bis 2045 sollen alle relevanten Sektoren CO2-neutral arbeiten. Für die Kalksandsteinindustrie bedeutet das eine enorme Herausforderung, weil beim Brennen des Kalks große Mengen CO2 entstehen. Etwa 80% der Emissionen in der gesamten Produktionskette gehen darauf zurück. Die restlichen 20% fallen in den Werken selbst an. Die zentrale Aufgabe lautet also, Dekarbonisierung der Produktion. Bis 2045 will die Branche ihre Emissionen auf Null senken und langfristig sogar darüber hinausgehen. Denn Kalk-Sandstein besitzt eine besondere Eigenschaft. Im Laufe seiner Lebenszeit nimmt er CO2 aus der Luft wieder auf, ein Prozess der Rekarbonatisierung genannt wird. Kalk-Sandsteine sind ja Mauersteine, die aus überwiegend kalkhaltigen natürlichen silikatischen Rohstoffen in Wasserdampfatmosphäre unter Druck bei 200 Grad und 16 Bar in Autoklaven gehärtet werden. Bei dieser Härtung entstehen vorwiegend Calcium-Silikathydrate. Das sind bestimmte Minerale, die gibt es auch in der Natur. Wir machen praktisch das nach, was die Natur uns vorgemacht hat. Das ist nicht so einfach, aber wir wissen, wie es geht. Diese CSH-Phasen oder Calcium-Silikathydrate verleihen den Kalk-Sandsteinen ihre Festigkeit. Durch die Rekarbonatisierung und die Wiederaufnahme des CO2 aus der Luft werden sie sogar noch härter. Das heißt, die Festigkeit nimmt sogar noch ein bisschen zu. Das haben wir noch nicht in Ansatz gebracht, aber es ist damit im Prinzip alles auf der richtigen Seite. Welche Hebel haben wir denn, um zu rekarbonatisieren? Das wichtigste Instrument, das wir etabliert haben, ist unsere Roadmap für eine Treibhausgasneutrale Kalksandsteinindustrie in Deutschland. Das Bezugsjahr ist 2021. In diesem Jahr haben wir rund 6 Mio. Tonnen Kalk-Sandstein erzeugt. Dabei sind rund 800.000 Tonnen CO2 emittiert worden. 80 % dieser CO2-Emissionen lassen sich dem Kalk zuordnen, weil beim Brennen des Kalkes fossile Energieträger verbrannt werden und weil aus dem Kalkstein selbst auch CO2 ausströmt. Derzeit sind es 70 Kalk-Sandstein-Standorten und rund 20 % der CO2-Emissionen emittieren. Also 80 % kommt aus dem Kalk, 20 % aus der Steinproduktion in den Werken selbst. Da haben wir natürlich die Möglichkeit, die Herstellprozesse zu optimieren, so zu verändern, dass wir dann auch in den Werken klimaneutral sind. Die Kalk-Industrie ist auch selbst dran, aber das dauert eine gewisse Zeit und ist auch gar nicht so einfach. Bis 2030 werden wir sicherlich einen Teil dieser Dekarbonisierung schon erreicht haben. Was Wolfgang Eden hier beschreibt, ist der Kern einer langfristigen Strategie. Denn die Branche hat sich längst auf den Weg gemacht mit einer eigenen Roadmap zur Klimaneutralität. Sie legt fest, wie die Kalksandsteinindustrie ihre Emissionen bis 2045 auf Null bringen will, nämlich durch effizientere Prozesse, neue Brennstoffe, digitale Steuerung und eine konsequente Kreislaufwirtschaft. Dafür braucht es Investitionen, rund 500 Millionen Euro insgesamt, aber vor allem braucht es Wissen, Kooperation und den Mut, Dinge zu verändern. Ziel ist es, bis 2042 klimaneutral zu produzieren und anschließend sogar klimapositiv zu werden. Denn Kalk-Sandstein besitzt ja eine besondere Eigenschaft, wie wir schon gehört haben. Er kann CO2 wieder aufnehmen. Ich hatte gerade schon mal angerissen, dass die Kalk-Sandsteine das CO2 aus der Luft wieder aufnehmen. Diesen Vorgang nennt man Rekarbonatisierung. Und es ist so, dass eine Tonne Kalk -Sandstein im Laufe von 50 Jahren rund 50 Kilo CO2 schluckt, wenn man so will. Und das sind bei 6 Millionen Tonnen Produktion immerhin knapp 400.000 Tonnen CO2 pro Jahr. Wenn man das Ganze mal hochrechnet, wenn das überhaupt geht, dann kann man grob sagen, dass wir seit Beginn der industriellen Produktion im Jahr 1894 rund 50 Millionen Tonnen CO2 wieder aufgenommen haben. Und weiß natürlich keiner genau, wie viele Kalk -Sandsteine wurden denn tatsächlich im Jahr 1899 hergestellt. Das ist mit dem Unsicherheitsfaktor verbunden, aber die Größenordnung stimmt schon. Also ungefähr 50 Millionen Tonnen CO2. Die Rekarbonatisierung ist ein natürlicher, chemisch-mineralogischer Vorgang, der auch in der Natur vorkommt. Es gibt auch natürliche Gesteine wie Basalt z .B., die durch Vulkanismus entstanden sind und auch CO2 aus der Luft wieder aufnehmen. Das dauert natürlich sehr lange, findet in geologischen Zeiträumen statt. Aber bei uns geht es aufgrund der offenen Porosität der Kalk-Sandsteine sehr schnell. Diese Calcium-Silikathydrate, diese CSH-Phasen, die sich beim Härten während des Prozesses in den Autoklaven bilden, nehmen das CO2 direkt wieder auf. Und zum Schluss entsteht aus diesen CSH-Phasen wieder Calcium-Carbonat. D.h., in diesem Calcium-Carbonat ist das CO2 dann drin. Und zwar dauerhaft, es kommt gar nicht wieder raus. Selbst wenn man die Steine beim Recycling bricht, zerkleinert auch Sandkorngröße, das bleibt drin. Man müsste den Stein auf 1000°C erhitzen, damit es überhaupt wieder rauskommt. Aber das macht natürlich keinen Sinn, macht auch keiner. Das CO2 bleibt einfach drin. Deswegen ist Kalk-Sandstein eine natürliche CO2-Senke. Und wenn man diesen Effekt nutzt und in Ansatz bringt und ökobilanziell in Rechnung stellt, dann werden wir feststellen, dass die Kalk-Sandstein-Branche bis 2045 oder vielleicht sogar etwas früher, je nachdem wie die Entwicklung ist, sogar klimapositiv wird. Das bedeutet, dass wir mehr CO2 aufnehmen, als bei der reinen Produktion des Kalk-Sandsteins selbst in die Atmosphäre freigesetzt wird. Das kann man entweder künstlich machen, durch technische Maßnahmen oder auf natürlichem Wege beobachten, wenn man sieht, dass das Kalk-Sandstein-Material aus der Umgebungsluft CO2 in seinem Gefüge aufnimmt. Dass Kalk-Sandstein CO2 aus der Luft wieder aufnimmt, ist wissenschaftlich belegt. Doch in der politischen und normativen Bewertung spielt dieser Effekt bislang kaum eine Rolle. Die Branche setzt sich deshalb dafür ein, dass die Rekarbonatisierung auch offiziell als Klimaschutzleistung anerkannt wird. Denn während biogene Baustoffe wie Holz längst für ihre CO2-Speicherung in den Bilanzen berücksichtigt werden, fehlt diese Anerkennung bei mineralischen Baustoffen noch immer. Dabei ist der Effekt messbar. Eine Tonne Kalk-Sandstein kann im Laufe von 50 Jahren rund 50 Kilogramm CO2 dauerhaft binden. Ein Potenzial, das in Ökobilanzen, EPDs und Gebäudezertifizierungen bislang untergeht. Fachverbände wie der Bundesverband Kalksandsteinindustrie, die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau und der Bundesverband Baustoffe, Steine und Erden werben daher auf nationaler und europäischer Ebene für eine Anpassung der Regelwerke. Nur wenn diese natürliche Speicherleistung offiziell anerkannt wird, lassen sich die tatsächlichen Umweltvorteile von Kalk-Sandstein korrekt abbilden. Doch die Rückbindung von CO2 ist nur eine Seite der Klimastrategie. Die andere liegt im Material selbst, genauer gesagt in seinem zweiten Leben. Recycling ist für die Kalksandsteinindustrie besonders wichtig. Denn Kalk-Sandstein lässt sich vollständig recyceln, das ermöglicht seine besondere Zusammensetzung und das Reinheitsgebot. Ziel ist es, sortenreines Abbruchmaterial gezielt aufzubreiten und als Sekundärrohstoff in die Produktion zurückzuführen zu einem echten KS-Kreislaufstein. Bereits heute lässt sich der Primärrohstoffanteil um bis zu 15% senken, in Pilotprojekten sogar noch mehr. Gleichzeitig laufen Forschungsprojekte, um neue Anwendungen für Recyclingmaterial zu erschließen, etwa als Gesteinskörnung für Beton oder in der Dachbegrünung. Ein großer Vorteil ist, dass das im Stein gebundene CO2 auch beim Recycling im Material bleibt. Es wird nicht wieder freigesetzt. Die Herausforderung liegt aber vor allem in der Praxis. Denn oft landet Kalk-Sandstein im Baumischabfall, vermischt mit anderen Materialien, schwer zu trennen, kaum wiederverwertbar. Deshalb macht sich die Branche stark für mehr Sortenreinheit beim Rückbau und für Rahmenbedingungen, die gezieltes, hochwertiges Recycling überhaupt erst ermöglichen. Welche Schritte die Branche bereits gegangen ist und wie lang das Thema Recycling schon Teil der Forschung ist, schildert Dr. Eden im Rückblick auf über drei Jahrzehnte Entwicklungsarbeit. Da haben wir schon eine ganze Menge gemacht. Ich bin ja seit 1991 da. Bereits 1994 durfte ich das erste Projekt zum Thema Recycling von Kalk-Sandstein bearbeiten. Da gibt es schon einen ersten Forschungsbericht zu dem Thema. Bis heute sind es 15 Berichte, Forschungsprojekte zum Thema Recycling mit unterschiedlichsten Fragestellungen. Zum Recycling von Kalk-Sandstein-Abbruchmaterial. Da gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Wir können dieses Material für die erneute Kalk -Sandstein-Produktion verwenden. 10 Masseprozent gehen eigentlich immer. Man muss ein bisschen aufpassen, die Herstellparameter ein bisschen anfassen, ein bisschen mehr Feuchtigkeit zu geben. Aber das funktioniert alles ganz prima. Man kann möglicherweise auch Kalk sparen, weil dieses Recyclingmaterial während der Autoklavierung, während der Erhärtung der Steine sogar reaktiv ist. Neue CSH-Phasen bildet, die dafür sorgen, dass die Steine fest und noch fester werden, sodass ich vielleicht sogar wieder ein bisschen CO2-relevanten Kalk aus der Mischung rausnehmen kann. Da ist also einiges möglich. Das haben wir im Laufe der letzten Jahre festgestellt. Wir können Kalk-Sandstein-Abbruchmaterial für den Betonbau nehmen. Das ist sogar genormt, das ist uns gelungen. Ebenso für den Erd-, Straßen- und Wegebau. Im Straßenbau z.B. hat man ja so einen Schichtenaufbau. Die unterste Schicht, die nennt man z.B. Tragschichten ohne Bindemilch. Da kann man Kalk-Sandstein-Abbruchmaterial reingeben. 10, 20, 30 % oder je nach Situation. Es ist uns auch gelungen, dort Zugabemengen in den Regelwerken zu verankern. Oder im Vegetationsbau. Sie können Dachbegrünungen herstellen. Mit einem Substrat aus Kalk-Sandstein-Abbruchmaterial. Zerkleinert auf Sandkorngröße. 5 mm maximal. In einer Mischung mit Erde haben wir dann Substrat. Darauf wachsen Pflanzen. Sowohl für die Dachbegrünung als auch Bäume oder Sträuchern. Für die Umsetzung der bisherigen Forschungsergebnisse haben wir mit Industriepartnern und dem Deutschen Institut für Normen eine DIN beschrieben. Wir haben eine Norm entwickelt, in der das Recycling von Kalk-Sandstein beschrieben ist. Was da alles möglich ist. Kurze Transportwege von der Abrissbaustelle zum Kalk-Sandstein -Werk. Regionale Verfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit sind dabei die ausschlaggebenden Stichworte. Für Wolfgang Eden ist Recycling kein Nebenaspekt der Nachhaltigkeit. Er sieht darin eine zentrale Aufgabe. Technisch, strategisch und kommunikativ. Was ihn dabei auszeichnet, ist sein Blick aufs Ganze. Auf das Material, die Prozesse und die Menschen, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette damit arbeiten. Er sagte mir einen Satz, den man in der Bauwelt nicht oft hört. Wir haben sogar genormt, wer mit wem reden muss. Gemeint ist damit eine neue Form der Schnittstellennormung entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Vom Rückbau über den Recyclinghof bis zur Produktion und zum fertigen Gebäude. Selbst das Zusammenspiel mit Behörden wurde mitgedacht. Entstanden ist ein Rahmen, der Zusammenarbeit sichtbar macht und Verantwortung in Abläufe übersetzt, damit nachhaltiges Bauen nicht an fehlender Kommunikation scheitert. Doch bei Normung allein bleibt es nicht. Die Forschungsprojekte, die Dr. Eden betreut, reichen tief in die Produktion hinein. Ein Beispiel, die Autoklaven. In jedem Werk stehen mehrere dieser riesigen Druckbehälter, manche bis zu 40 Meter lang, mit 2 ,50 Meter Durchmesser. Darin werden die Steine mit heißem Wasserdampf gehärtet, unter 16 Bar Druck über Stunden hinweg. Doch was trivial klingt, ist in Wirklichkeit hochkomplex. Denn jedes Werk fährt unterschiedliche Formate, manche Kessel werden gemischt beladen und jede Charge hat andere Anforderungen. Bisher kalkulieren viele Betriebsleitungen das von Hand, mit Zettel, Stift und Erfahrung. Doch bald können diese Prozesse digital unterstützt werden, durch künstliche Intelligenz, die aus Produktionsdaten Empfehlungen ableitet, für Reihenfolgen, Dampfbedarf und energetische Optimierung. Ein zweites Projekt beschäftigt sich mit der Qualitätssicherung. Mittels Hochauflösung der Kameras sollen Oberflächendefekte automatisch erkannt werden, bevor fehlerhafte Steine überhaupt das Werk verlassen. Auch hier soll eine KI helfen, Muster zu erkennen, zu bewerten und direkt an die Steuerung zurückzumelden. Ich habe Dr. Eden gefragt, wie wird denn das weitergehen? Was ist seine Vision für die Kalk-Sandstein -Forschung in 10 Jahren? Da habe ich mir überlegt, da strapaziere ich mal ein Zitat von Albert Einstein, der mal gesagt hat, die reinste Form des Unsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert. Das hat die Kalksandsteinindustrie automatisch seit Langem beherzigt. Deshalb ist es für uns sehr wichtig, dass wir die uns vorliegenden Forschungsergebnisse mutig und entschlossen aufgreifen und in die betriebliche Produktionspraxis umsetzen. Dann tun wir den Werken was Gutes, der Umwelt und das Ganze bleibt wirtschaftlich. Viele Maßnahmen zur Reduzierung der CO2-Emissionen und zur Erreichung der Klimaneutralität sind nicht zwangsläufig mit großen Investitionen verbunden. Natürlich kostet das Geld und Manpower, aber man kann eine ganze Menge erreichen durch organisatorische Maßnahmen. Wenn man sich geschickt anstellt, kann man schon einiges umsetzen. Wir als Forschungsinstitut haben die Aufgabe, unsere Mitgliedsunternehmen, unsere Betriebe und die Menschen, die da arbeiten, zu unterstützen. Deswegen sind wir auch eine Art schwarzes Brett oder Kummerkasten ist wohl übertrieben, aber auf jeden Fall Hotline. Hier klingelt jeden Tag das Telefon. Irgendjemand möchte immer etwas zu den Rohstoffen wissen. Kann ich den verwenden? Da darf keine wissenschaftliche Antwort kommen, sondern ja oder nein. Belastbar. Das ist uns wichtig. In 10 Jahren, also 2035, sind wir ein ganzes Stück weiter in Richtung Klimaneutralität, Digitalisierung und Prozessoptimierung gelaufen. Die wichtigsten Punkte, was uns am Herzen liegt, sind die Dekarbonisierung der Kaltsandsteinproduktion und die Roadmap. Das ist praktisch das Werkzeug, mit dem wir uns selbst bewerten, uns selbst analysieren und uns die Frage stellen, wie weit sind wir auf dem Weg zur Klimaneutralität. Das Ganze machen wir nicht einfach so auf dem Papier, sondern wir haben aktuell ein Nachhaltigkeitsgütesiegel entwickelt, was wir von hier aus den Kaltsandsteinwerken verleihen können, damit die Werke sich selbst ökobilanziell einschätzen können und damit der Prozess zur Erreichung der Klimaneutralität transparent und wirkungsvoll ist. Da unterstützen wir die Werke bis ins letzte produktionstechnische Detail. Drei Stimmen, drei Perspektiven. Ein Baustoff, der mehr erzählt, als man ihm vielleicht ansieht. Was mit Kalk, Sand und Wasser beginnt, führt uns zu Fragen von Verantwortung, Geschichte und Forschung, zu politischen Rahmenbedingungen und wirtschaftlichen Realitäten, zu neuen Technologien, alten Normen und dem Willen, Dinge zu verändern. In dieser Miniserie haben wir den Versuch unternommen, den Blick zu weiten, auf das, was hinter dem Material steckt. Kalksandstein ist kein spektakuläres Material. Er glänzt nicht, er funkelt nicht, aber er trägt seit über 130 Jahren. Er hält Gebäude zusammen und Nachbarschaften. Er entsteht regional, lässt sich wiederverwenden und kann sogar CO2 binden. Diese Serie war eine Einladung, genauer hinzuschauen, auf die Prozesse, die Potenziale, die Menschen hinter dem Stein und vielleicht auch ein kleiner Anstoß, Baustoffe nicht nur technisch oder normativ zu sehen, sondern als Teil einer größeren Erzählung über das, was wir bauen, wie wir bauen und was wir verändern müssen. Das war eine weitere Folge von Planstimme, dem Format von Architektourist über die Menschen hinter den Plänen. Diese Episode war der dritte und letzte Teil unserer Miniserie zum 125-jährigen Jubiläum des Bundesverbands Kalksandstein-Industrie mit Dr. Wolfgang Eden über Forschung, Kreislaufwirtschaft und den Weg zur Klimaneutralität. Wenn du mehr über die Geschichte und die Perspektiven der Kalksandstein-Industrie erfahren möchtest, hör gerne auch in die ersten beiden Folgen dieser Serie hinein. Alle Links und Informationen findest du wie immer in den Shownotes. Wenn dir diese Folge gefallen hat, freue ich mich, wenn du sie weiterempfiehlst oder eine Bewertung auf Spotify oder Apple Podcasts hinterlässt. Ich bin Alexandra Busch, danke dir fürs Zuhören und bis zur nächsten Folge von Architektourist.

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