Bauwerk.Stimme #1 – Der Reichstag in Berlin. Geschichte, Glanz, Verhüllung
Zum 30. Jubiläum des Kunstwerks von Christo und Jeanne-Claude
28.06.2025 10 min
Zusammenfassung & Show Notes
Ein Gebäude verschwindet und wird sichtbarer als je zuvor. Zwei Wochen Stoff, Millionen Besucher:innen, ein Moment der Leichtigkeit mitten in Berlin. Was bleibt von diesem Bild, dreißig Jahre später? In dieser Episode geht’s um den Reichstag in Berlin, ein Gebäude mit Brüchen, mit Glanz und mit großer Symbolkraft. Ich nehme euch mit auf eine akustische Reise durch seine Geschichte: vom nationalen Machtprojekt des 19. Jahrhunderts über Zerstörung und Bedeutungsverlust im 20. Jahrhundert bis hin zur gläsernen Kuppel von Sir Norman Foster.
Im Mittelpunkt steht dabei die spektakuläre Verhüllung durch Christo und Jeanne-Claude im Sommer 1995 – ein temporäres Kunstwerk, das heute als Akt der Versöhnung und des Aufbruchs gilt. Fünf Millionen Menschen sahen damals, wie ein Bauwerk seine Bedeutung verändert, durch Stoff, durch Stille, durch Staunen. Die Folge erzählt in fünf kurzen Teilen, wie der Reichstag wurde, was er heute ist: Ein Ort für Öffentlichkeit. Und für Hoffnung.
Einblicke in dieser Episode:
Im Mittelpunkt steht dabei die spektakuläre Verhüllung durch Christo und Jeanne-Claude im Sommer 1995 – ein temporäres Kunstwerk, das heute als Akt der Versöhnung und des Aufbruchs gilt. Fünf Millionen Menschen sahen damals, wie ein Bauwerk seine Bedeutung verändert, durch Stoff, durch Stille, durch Staunen. Die Folge erzählt in fünf kurzen Teilen, wie der Reichstag wurde, was er heute ist: Ein Ort für Öffentlichkeit. Und für Hoffnung.
Einblicke in dieser Episode:
- Architekturgeschichte und politische Symbolik
- Paul Wallot, Norman Foster und die Idee der Transparenz
- Die Rolle der Kuppel als architektonisches und demokratisches Zeichen
- Die Verhüllung des Reichstags als kollektives Erlebnis
- Persönliche Eindrücke bei einem aktuellen Besuch vor Ort
Tipp zum Weiterhören:
Mein Podcast-Kollege Dietmar Bleck beleuchtet die Verhüllung aus einer ganz anderen Perspektive: In seiner neuen Episode von „Nicht ganz ungefährlich“ spricht er mit Frank Seltenheim, dem technischen Leiter der Verhüllung, der mit über 100 Industriekletterern die Umsetzung möglich machte.
Weitere Links:
Webseite des Deutschen Bundestags zum Reichstagsgebäude
Infos zur Verhüllung 1995 von Christo und Jeanne-Claude auf Wikipedia
Foster + Partners
Podcast „Nicht ganz ungefährlich“ von Dietmar Bleck
Coverbild: KI generiert ChatGPT
Mein Podcast-Kollege Dietmar Bleck beleuchtet die Verhüllung aus einer ganz anderen Perspektive: In seiner neuen Episode von „Nicht ganz ungefährlich“ spricht er mit Frank Seltenheim, dem technischen Leiter der Verhüllung, der mit über 100 Industriekletterern die Umsetzung möglich machte.
Weitere Links:
Webseite des Deutschen Bundestags zum Reichstagsgebäude
Infos zur Verhüllung 1995 von Christo und Jeanne-Claude auf Wikipedia
Foster + Partners
Podcast „Nicht ganz ungefährlich“ von Dietmar Bleck
Coverbild: KI generiert ChatGPT
Der Podcast:
Architektourist bietet eine Hörreise durch unsere gebaute Umwelt. In jeder Episode nehmen wir Euch mit in die Welt der Architektur und Baustoffe, erkunden kreative Anwendungen und tauchen ein in die Geschichten hinter den Bauprojekten – von der ersten Skizze bis zur fertigen Umsetzung.
Seid bei der nächsten Folge wieder dabei, wenn wir weitere spannende Projekte und Persönlichkeiten aus der Welt des Bauens vorstellen. Wenn Euch die Episode gefallen hat, abonniert Architektourist bei Eurem bevorzugten Podcast-Anbieter.
Ihr habt Fragen oder Vorschläge? Wir freuen uns auf Eure Nachrichten unter kontakt@architektourist.de.
Architektourist bietet eine Hörreise durch unsere gebaute Umwelt. In jeder Episode nehmen wir Euch mit in die Welt der Architektur und Baustoffe, erkunden kreative Anwendungen und tauchen ein in die Geschichten hinter den Bauprojekten – von der ersten Skizze bis zur fertigen Umsetzung.
Seid bei der nächsten Folge wieder dabei, wenn wir weitere spannende Projekte und Persönlichkeiten aus der Welt des Bauens vorstellen. Wenn Euch die Episode gefallen hat, abonniert Architektourist bei Eurem bevorzugten Podcast-Anbieter.
Ihr habt Fragen oder Vorschläge? Wir freuen uns auf Eure Nachrichten unter kontakt@architektourist.de.
Transkript
Du hörst Bauwerkstimme, ein Format von Architektourist.
Episode 1, der Reichstag in Berlin, Geschichte, Glanz, Verhüllung.
Zum 30. Jubiläum des Kunstwerks von Christo und Jean-Claude.
Sommer 1995. Ich sehe Menschen, die auf der Wiese vor dem Reichstag sitzen, stehen, staunen.
Viele haben Kameras dabei, manche liegen im Gras.
Vor ihm ein riesiger, silbrig glänzender Bau.
Der Reichstag, vollständig verhüllt. Für zwei Wochen wird er zum Kunstwerk und
zum Mittelpunkt von Berlin.
30 Jahre ist das jetzt her. Ein temporäres Kunstwerk, das sich tief ins Gedächtnis
der Stadt eingeschrieben hat.
Damals war der Reichstag Symbol für Aufbruch und Offenheit.
Dabei war er über Jahrzehnte vor allem eins. Ein schweres Gebäude mit einer
noch schwereren Geschichte.
Du hörst Architektourist und heute zum ersten Mal Bauwerkstimme.
Ein neues Format für kurze erzählte Architekturgeschichten. Kein Interview,
kein Ortstermin, sondern eine akustische Nahaufnahme.
Diesmal der Reichstag in Berlin.
Teil 1 Der Reichstag als nationales Projekt Gebaut für Größe und Macht.
Ende des 19. Jahrhunderts will sich das Deutsche Kaiserreich ein neues Gesicht geben.
Ein Gebäude für das Parlament, mitten in Berlin.
Es soll mächtig wirken, repräsentativ, aber auch offen.
Und es soll zeigen, hier wird Politik gemacht, auf Augenhöhe mit den Monarchen.
1882 gewinnt der junge Architekt Paul Wallot den Wettbewerb.
Er ist gerade einmal 41, ein eher Unbekannter. Aber sein Entwurf überzeugt,
ein klar gegliedertes Gebäude im Stil der Neorenaissance, mit wuchtigen Ecktürmen,
symmetrischer Fassade, reich verzierten Gesimsen.
Ein bisschen italienische Pracht auf preußischem Boden.
Die Bauarbeiten ziehen sich fast ein Jahrzehnt. Kaiser Wilhelm II.
Ist von Anfang an skeptisch, zu groß, zu modern, zu wenig kaiserlich.
Als der Reichstag 1894 endlich fertig ist, lässt der Kaiser die Eröffnung vom
Balkon eines Nachbargebäudes aus beobachten.
Er betritt das neue Parlament nicht.
Doch das Bauwerk ist da. Sichtbar. Schwer.
Dauerhaft. Ein Monument der bürgerlichen Ordnung, von Anfang an umkämpft.
Mit einer gläsernen Kuppel aus Stahl und Eisen, ein technisches Meisterstück.
Sie soll Transparenz symbolisieren. Und Moderne.
Aber im Inneren wird sie schnell blind, denn die Gaslampen des Plenarsaals setzen ihr zu.
Der Blick nach oben bleibt diffus.
Teil 2 Der Reichstag im 20. Jahrhundert Brand, Brüche und Bedeutungsverlust Am 27.
Februar 1933, vier Wochen nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, brennt der Reichstag.
Das Feuer richtet schwere Schäden im Plenarsaal an. Die Kuppel bleibt zunächst
erhalten, schwer gezeichnet, geschwärzt.
Die Nationalsozialisten nutzen den Brand als Vorwand, um politische Gegner zu
verfolgen. Der Reichstag als Ort der freien Rede?
Ausgeschaltet durch einen einzigen Moment.
Im Zweiten Weltkrieg wird das Gebäude weiter beschädigt. Am Ende des Krieges
ist es mehr Ruine als Symbol.
Das Bild des sowjetischen Soldaten mit roter Fahne auf dem Dach.
Eine Inszenierung, aber mit Wirkung.
Ein Bauwerk überlagert von Geschichte. In der Nachkriegszeit bleibt der Reichstag leer.
Er steht in Westberlin zu monumental für die Übergangshauptstadt Bonn,
zu bedeutungsschwer für den neuen Anfang.
Man repariert ihn äußerlich, die Kuppel wird abgetragen. Der Plenarsaal bleibt ungenutzt.
Aus dem Parlament wird ein Provisorium, Museum, Ausstellungsort, Denkmal.
1990, kurz nach der Wiedervereinigung, zieht der Bundestag für eine historische
Sitzung zurück in den Reichstag. Im unsanierten Gebäude.
Ohne Schmuck, ohne Symbol, nur Stimmen, Worte, Gesten. Ein leiser Neubeginn.
Teil 3 – Ein neues Kapitel, der Umbau durch Norman Foster und die gläserne Kuppel.
1992 wird ein internationaler Wettbewerb ausgelobt.
Der Reichstag soll umgebaut werden, funktional, modern, zukunftsfähig.
Über 80 Architekturbüros reichen Entwürfe ein. Es gewinnt der Brite Sir Norman Foster.
Sein erster Entwurf sieht keine Kuppel vor. Er möchte das Gebäude öffnen,
entkehren, vereinfachen.
Ein transparenter Schirm über den Plenarsaal, mehr nicht.
Doch es regt sich politischer Widerstand.
Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth will ein starkes Zeichen.
Etwas, das sichtbar macht, was sich verändert hat.
Eine neue Kuppel. Nicht als Krönung, sondern als Geste.
Offen, begehbar, Licht durchflutet. Foster überarbeitet den Entwurf.
Die neue Kuppel entsteht aus Stahl und Glas, fast 24 Meter hoch, offen für alle.
Im Inneren winden sich zwei Spiralen nach oben. Menschen steigen langsam auf,
blicken hinaus auf Berlin und hinab in den Plenarsaal.
In der Mitte der Kuppel ein verspiegelter Lichttrichter.
Er lenkt Tageslicht nach unten, ins Zentrum der Demokratie.
Und wenn die Sonne wandert, fährt ein beweglicher Blendschutz mit.
Architektur als Haltung, sichtbar, technisch präzise und politisch.
1999 zieht der Bundestag zurück in den Reichstag. Berlin wird wieder Hauptstadt. Und das Gebäude?
Symbol einer Republik, die gelernt hat, mit ihrer Geschichte umzugehen.
Teil 4 Sommer 1995 – Der verhüllte Reichstag als kollektives Kunstwerk Vier
Jahre bevor der Bundestag endgültig einzieht, erlebt der Reichstag seine vielleicht
sichtbarste Transformation.
Im Juni 1995 wird das Gebäude verhüllt, vollständig, für 14 Tage.
Der Künstler Christo, gemeinsam mit Jean-Claude, arbeitet Jahrzehnte an dieser
Vision. Schon in den 1970er Jahren stellen sie erste Skizzen vor.
Es dauert bis 1994, bis der Bundestag dem Projekt zustimmt, nach langen Debatten,
knapper Abstimmung und ohne Fraktionszwang.
100.000 Quadratmeter Stoff, 15.000 Meter Seil und dann ein silbrig glänzender
Baukörper, die Formen noch erkennbar, aber weich gezeichnet.
Die Geschichte bleibt, wird aber für einen Moment eingehüllt.
Nicht ausgelöscht, nur verschoben.
Fünf Millionen Menschen kommen. Sie stehen auf der Wiese, liegen im Gras,
fotografieren, reden, schweigen.
Ein kollektives Staunen in der Mitte der Stadt.
Die Verhüllung macht den Reichstag sichtbar. Nicht trotz, sondern gerade wegen seiner Hülle.
Für zwei Wochen ist das Gebäude kein politisches Zentrum.
Es ist eine Projektionsfläche für Schönheit, für Veränderung, für Versöhnung.
Vor einigen Wochen stand ich selbst auf der Wiese vor dem Reichstag.
Baustellenabsperrungen, Touristengruppen, das übliche Berlin.
Und doch, ich konnte ihn sehen, den Moment von damals, den Stoff,
das Licht, die Menschen.
Ich bin durch die Sicherheitskontrollen gegangen, rein in den Besucherfahrstuhl
und hinauf in die Kuppel.
Ich bin die Spirale nach oben gegangen, habe auf Berlin geschaut und hinab ins Herz des Gebäudes.
Der Reistag ist ein Bauwerk, das Geschichte erzählt, sie sogar atmet,
verhüllt, beschädigt, umgebaut und doch nie still.
Er trägt seine Brüche offen und vielleicht ist das sein größter Wert.
Ein Gebäude, das sich immer wieder verwandelt und trotzdem bleibt, was es ist.
Ein Ort für Öffentlichkeit und für Hoffnung.
Das war die erste Folge von Bauwerkstimme, dem neuen Kurzformat von Architektourist.
Und wenn Du jetzt Lust hast, noch eine ganz andere Perspektive auf die Verhüllung
des Reichstags zu werfen, dann hör gern rein bei meinem Podcast-Kollegen Dietmar Bleck.
In der aktuellen Folge seines Podcasts »Nicht ganz ungefährlich« trifft er Frank
Seltenheim, einen der Männer, die die Verhüllung technisch möglich gemacht haben.
Frank war verantwortlich für die Montage von Stoff und Seilen durch über 100 Industriekletterer.
Und einer der direkten Ansprechpartner von Christo und Jean-Claude.
Ein spannender Rückblick auf ein außergewöhnliches Projekt.
Wenn Dir diese Episode gefallen hat, empfiehle sie gern weiter oder lass eine
Bewertung da bei Spotify oder Apple Podcasts.
In den Shownotes findest Du wie immer weiterführende Links und natürlich auch
den Link zum Podcast, nicht ganz ungefährlich.
Und falls du keine Episode mehr verpassen willst, einfach abonnieren,
überall, wo es gute Podcasts gibt.
Ich bin Alexandra Busch, danke fürs Zuhören. Bis zur nächsten Folge von Architektourist.
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