#59 Bau.Pause – Wo sind die Frauen in der Architektur?
Eine persönliche Reflexion über Sichtbarkeit, Sprache und das Ringen um echte Gleichstellung
14.11.2025 18 min
Zusammenfassung & Show Notes
In dieser Baupause nehme ich dich mit ins Deutsche Architekturmuseum nach Frankfurt am Main zu einem besonderen Abend über Mies van der Rohe, gesehen durch die Augen der Frauen in seinem Leben. Eingeladen hatte Susanne Petry (Architektur im Dialog), die mit ihrer Reihe „Architektur im Film“ immer wieder neue Perspektiven öffnet – diesmal mit der Dokumentation „The Mies van der Rohes – A Female Family Saga“ der Schweizer Regisseurin Sabine Gisiger und einer Podiumsdiskussion mit Petra Schwerdtner, Aline Hielscher, Marie-Theres Deutsch und Peter Cachola Schmal über Sichtbarkeit, fehlenden Mut und den Matilda-Effekt.
Ich erzähle von einem Abend, der bei mir deutlich nachwirkt: von alten Bildern, die sich hartnäckig halten, und von neuen Stimmen, die andere Wege gehen. Von Frustration und Fortschritt, von strukturellen Barrieren und langsamen Veränderungen. Diese Episode ist eine Einladung, genauer hinzusehen und eine persönliche Reflexion darüber, wie weibliche Perspektiven nicht nur die Architektur, sondern auch ihr Selbstbild verändern können. Es geht darum, wie viel sich bewegt, wenn wir beginnen, unsere blinden Flecken zu erkennen.
Einblicke in diese Episode:
Ich erzähle von einem Abend, der bei mir deutlich nachwirkt: von alten Bildern, die sich hartnäckig halten, und von neuen Stimmen, die andere Wege gehen. Von Frustration und Fortschritt, von strukturellen Barrieren und langsamen Veränderungen. Diese Episode ist eine Einladung, genauer hinzusehen und eine persönliche Reflexion darüber, wie weibliche Perspektiven nicht nur die Architektur, sondern auch ihr Selbstbild verändern können. Es geht darum, wie viel sich bewegt, wenn wir beginnen, unsere blinden Flecken zu erkennen.
Einblicke in diese Episode:
- Der Matilda-Effekt in der Baukultur
- Wiederholungen statt Fortschritt in der Gleichstellungsdebatte
- Neue Bilder von Führung und Verantwortung
- Echte Gleichstellung braucht andere Fragen
- 2026: Initiativen und Netzwerke
Weitere Links:
Architektur im Dialog – Susanne Petry
Film: The Mies van der Rohes – A Female Family Saga (Website)
Matilda-Effekt – kurze Erklärung (Wikipedia)
Deutsches Architekturmuseum (DAM)
Aline Hielscher Architektur
Marie-Theres Deutsch Architekten
Peter Cachola Schmal – Deutsches Architekturmuseum
Petra Schwerdtner – Kulturwissenschaftlerin und Moderatorin
Coverbild: KI-generiert mit ChatGPT
Architektur im Dialog – Susanne Petry
Film: The Mies van der Rohes – A Female Family Saga (Website)
Matilda-Effekt – kurze Erklärung (Wikipedia)
Deutsches Architekturmuseum (DAM)
Aline Hielscher Architektur
Marie-Theres Deutsch Architekten
Peter Cachola Schmal – Deutsches Architekturmuseum
Petra Schwerdtner – Kulturwissenschaftlerin und Moderatorin
Coverbild: KI-generiert mit ChatGPT
Der Podcast:
Architektourist bietet eine Hörreise durch unsere gebaute Umwelt. In jeder Episode nehmen wir Euch mit in die Welt der Architektur und Baustoffe, erkunden kreative Anwendungen und tauchen ein in die Geschichten hinter den Bauprojekten – von der ersten Skizze bis zur fertigen Umsetzung.
Seid bei der nächsten Folge wieder dabei, wenn wir weitere spannende Projekte und Persönlichkeiten aus der Welt des Bauens vorstellen. Wenn Euch die Episode gefallen hat, abonniert Architektourist bei Eurem bevorzugten Podcast-Anbieter.
Ihr habt Fragen oder Vorschläge? Wir freuen uns auf Eure Nachrichten unter kontakt@architektourist.de.
Architektourist bietet eine Hörreise durch unsere gebaute Umwelt. In jeder Episode nehmen wir Euch mit in die Welt der Architektur und Baustoffe, erkunden kreative Anwendungen und tauchen ein in die Geschichten hinter den Bauprojekten – von der ersten Skizze bis zur fertigen Umsetzung.
Seid bei der nächsten Folge wieder dabei, wenn wir weitere spannende Projekte und Persönlichkeiten aus der Welt des Bauens vorstellen. Wenn Euch die Episode gefallen hat, abonniert Architektourist bei Eurem bevorzugten Podcast-Anbieter.
Ihr habt Fragen oder Vorschläge? Wir freuen uns auf Eure Nachrichten unter kontakt@architektourist.de.
Transkript
Liebe Architektouristinnen und Architektouristen, diese Episode wird unterstützt
von Susanne Petri, Architektur im Dialog. Herzlichen Dank dafür.
Nur mal laut gedacht. Willkommen zur Baupause, dem kurzen Gedankenstopp mit Architektourist.
Ein paar Minuten für Baukultur, Alltagsbeobachtungen und spontane Überlegungen,
Irgendwo zwischen Kaffeetasse, Skizzenrolle und Türrahmen.
Ich habe nie laut darüber nachgedacht, ob mein Frau-Sein in meinem Beruf eine Rolle spielt.
Oder anders gesagt, ich habe es nie problematisiert.
Vielleicht, weil ich keine Lust hatte, in der Opferrolle zu landen.
Vielleicht auch, weil ich selten direkt angeeckt bin. Ich war einfach da und es lief.
Ich schreibe über Architektur, moderiere Diskussionsrunden, produziere Podcast-Folgen
mit Menschen, die planen, bauen und entwickeln.
Ich spreche mit denjenigen, die Werke leiten und Unternehmen führen,
mit Lehrenden in Hochschulen, mit Menschen, die mit der Presse kommunizieren,
mit denjenigen, die Baustellen leiten.
Und wenn ich ehrlich bin, in der Mehrheit sind es Männer, seit fast 20 Jahren,
und ich habe mich daran gewöhnt.
Ich bin als Moderatorin oft die einzige Frau auf einem Panel,
bei einem Baustellenrundgang oder in einem Workshop.
Aber das hat mich nie gestört. Ich habe es kaum bemerkt.
Vielleicht, weil ich nie das Gefühl hatte, weniger ernst genommen zu werden.
Oder weil ich gelernt habe, mich durch meine Arbeit sichtbar zu machen.
Durch das, was ich sage und schreibe.
Nicht durch das, was ich bin.
Und dort frage ich mich immer öfter, habe ich da etwas übersehen?
Einen blinden Fleck mitten in meinem beruflichen Blickfeld?
Gibt es Erfahrungen, die ich viel zu schnell abgetan habe, als komische Anekdoten,
als unbedeutende Einzelfälle?
Der Impuls, endlich mal genauer hinzuschauen, kam nicht von mir.
Er kam vor einigen Tagen von einer Kollegin. Und er kam zur richtigen Zeit.
Der Impuls kam von Susanne Petry. Sie ist Architektin, Netzwerkerin, Kommunikatorin.
Eine, die seit Jahren Themen miteinander verknüpft, die andere gern getrennt halten.
Architektur, Nachhaltigkeit, Gleichberechtigung.
2010 gründete sie ihre Agentur Architektur im Dialog.
Seither kuratiert sie Formate, in denen Bauen zum Gespräch wird.
Sie macht Stadtführungen zu nachhaltiger Architektur, das Nachhaltigkeitszentrum
PRF in Frankfurt am Main und seit vielen Jahren die Reihen der Grüne Salon und Architektur im Film.
Mal im Museum, mal im Salon, mal im Kinosaal.
Ihr Ziel ist nie nur der schöne Abend. Es geht ihr um die Bewegung dahinter. Und so auch diesmal.
Susanne Petry rief mich an mit dieser Mischung aus Ernsthaftigkeit und Begeisterung,
die sie so unverkennbar macht.
Alex, ich plane im Deutschen Architekturmuseum einen Abend über Mies van der Rohe.
Aber aus weiblicher Perspektive. Kommst du?
Susanne wollte einen Film zeigen. The Mies van der Roos – A Female Family Saga.
Eine Dokumentation der Schweizer Regisseurin Sabine Giesiger.
Kein klassisches Porträt über den großen Architekten, stattdessen ein Blick
auf die Frauen um Mies herum.
Seine Ehefrau Ada, seine Partnerin Lilli Reich, seine Töchter.
Der Film versucht, das Genie vom Sockel zu holen und die Schatten zu beleuchten,
die sein Ruhm geworfen hat.
Nach dem Film sollte eine Podiumsrunde folgen.
In der Diskussion soll es um Sichtbarkeit und Verantwortung gehen und um ein
Phänomen, das Wissenschaft und Baukultur gleichermaßen durchzieht,
den sogenannten Matilda-Effekt.
Er beschreibt, wie die Leistungen von Frauen oft übersehen, unterschätzt oder
männlichen Kollegen zugeschrieben werden.
Wie bei Lilly Reich, deren Rolle an der Seite von Mies van der Rohe lange unterschätzt wurde.
Susanne Petry erzählte mir auch von einem Moment, der sie nachdenklich machte.
Bei einer Alumni-Veranstaltung der FH Frankfurt, die sie organisiert hatte,
waren rund 130 Ehemalige gekommen.
Für eine kleine Vortragsrunde hatte sie eine 50-50-Besetzung geplant, Frauen und Männer.
Doch alle Architektinnen sagten ab. Keine Zeit, keine Kraft, keine Lust auf Bühne.
Als Susanne später mit ihnen sprach, hörte sie Sätze wie »Ich möchte nicht im
Mittelpunkt stehen« oder »Das bringt doch nichts, ich werde eh nicht gehört.«.
Diese Erfahrung war zwar nicht der Auslöser für den Abend im November im DRM,
der war längst geplant, aber sie hat Susanne bestärkt, den Fokus zu schärfen.
Ihr geht es nicht darum, Betroffenheiten zu sammeln. Sie will Frauen in ihrer
Kompetenz sichtbar machen und
Formate schaffen, in denen Frauen als Expertinnen auf der Bühne stehen.
Selbstverständlich und Kraft ihrer Kompetenz, frei von Quote oder Ausnahmestatus.
Sie bat mich, den Abend in meinem Podcast aufzugreifen, als persönliche Reflexion
statt als Veranstaltungsbericht.
Ich sagte zu und dachte erst, ein kurzer Kommentar, ein paar Gedanken, fertig.
Doch je länger ich darüber nachdachte, je tiefer ich in meine Notizen,
Erinnerungen und Recherchen einstieg, desto klarer wurde mir,
das Thema hatte mich längst eingeholt.
Nicht nur als Journalistin, sondern als Teil eines Systems, das mich geprägt hat.
Im Studium, im Berufsalltag, in
der Art, wie ich lange über Architektur gesprochen und geschrieben habe.
Ich hatte all die großen männlichen Vorbilder verinnerlicht,
ohne sie je zu hinterfragen.
Und dass Susanne ausgerechnet mit dem Film über Mies van der Rohe ein bewusstes
Zeichen setzen wollte, fand ich stark.
Denn Mies war eines dieser männlichen Architekturgenies, die uns im Studium
in Endlosschleife vermittelt wurden.
Wie auch Le Corbusier, wie Adolf Loos, wie Oswald Matthias Ungers,
übrigens dem Architekten des Deutschen Architekturmuseums.
Große Namen, große Häuser, große Egos.
Aber wo waren eigentlich die Frauen? Ich erinnerte mich an das diesjährige Women
in Architecture Festival.
Ich wollte ein kleines Video produzieren und suchte gezielt nach Architektinnen,
die die Geschichte geprägt haben.
Und war irritiert, wie dünn die Liste ist.
Klar, Zaha Hadid, Eileen Gray, Margarete Schütte-Lihotzky, vielleicht noch Odile Decq.
Aber dann, ich musste graben, googeln.
Die Liste der männlichen Vorbilder dagegen ist lang.
Walter Gropius mit seiner Idee vom Gesamtkunstwerk, Hans Scharoun mit seinen
organischen Formen, Frank Lloyd Wright mit seinem Pathos der Horizontalen.
Allesamt Überväter, in Theorien gegossen und fast religiös verehrt.
Und genau das machte mir wieder bewusst, wie tief verankert diese Bilder noch immer sind.
Wie sehr sie prägen, wer in der Architektur als prägend gilt.
Im Auditorium des DRM wurde es voll.
Ausverkauft. Stühle mussten dazugestellt werden. Und ja, es waren mehr Frauen als Männer da.
Aber vor allem Menschen mittleren Alters.
Wo war denn der Nachwuchs? Wo waren die Studentinnen, die jungen Architektinnen,
die doch eigentlich um Sichtbarkeit kämpfen sollten?
Oder ist das vielleicht gar nicht mehr ihr Kampf? Der Film erzählte die Geschichte
von Mies aus der Perspektive seiner ältesten Tochter Georgia van der Rohe.
Ein sehr persönlicher Blick auf einen der berühmtesten Architekten des 20.
Jahrhunderts und ein Blick auf eine Familie, die unter dieser Berühmtheit gelitten hat.
Ja, Mies war ein Genie. Aber eben auch ein Vater, der sich nie kümmerte.
Ein Mann, der seine beruflichen Erfolge auch den Frauen in seinem Umfeld zu verdanken hatte.
Allen voran Lilly Reich.
Doch der Film zeigte Lilly Reich vor allem als Verwalterin des Haushaltsbudgets,
als Rivalin der Ehefrau, kaum als Gestalterin.
Ihre Rolle blieb schattenhaft, beinahe antagonistisch.
Dabei war sie so viel mehr. Designerin, Partnerin, Impulsgeberin.
Ihre Entwürfe, ihre Möbel, ihre Formensprache, sie haben Mies Werk mitgeprägt.
Aber davon war im Film nur wenig zu sehen. Vielleicht, weil er aus der Sicht
der Tochter erzählt war.
Vielleicht, weil die alten Narrative eben schwer zu durchbrechen sind.
Der Film ließ vieles offen. Manches blieb unterkomplex.
Und trotzdem, er berührte. Vielleicht gerade, weil nicht alles zu Ende erklärt war.
Weil Raum blieb für Widerspruch, Nachdenken, Weiterdenken.
Der anschließenden Podiumsdiskussion hätte dieser Raum auch gut getan.
Die Kulturwissenschaftlerin Petra Schwerdtner moderierte das Gespräch.
Auf der Bühne Peter Cachola Schmal, Architekt und Direktor des Deutschen Architekturmuseums,
Marie-Therese Deutsch, Architektin aus Frankfurt und Aline Hielscher,
Architektin mit eigenem Büro in Leipzig, tätig auch in Paris.
Starke Persönlichkeiten, ohne Frage. Und doch, die Diskussion ließ mich zwiegespalten zurück.
Diskutiert wurde über Sichtbarkeit und Verantwortung, über Karrierewege von
Frauen in der Architektur und über die Frage, warum es immer noch so wenige
Frauen an der Spitze großer Architekturbüros gibt.
Es ging, wie so oft, um Sichtbarkeit, Vereinbarkeit, Karriereknicke,
um Selbstzweifel, Ausstiege und immer wieder um den angeblich fehlenden Mut
der Frauen in der Architektur.
Peter Cachola Schmal sprach von Risikobereitschaft. Davon,
dass viele Frauen sich nicht trauten, ein eigenes Büro zu gründen,
lieber nur Büropartnerinnen würden.
Er sagte, wenn das beim Auftreten schon ein Problem ist, wie soll das werden,
wenn man rausgeht und Aufträge akquiriert?
Aline Hielscher verwies auf den Bruch zwischen Studium und Beruf.
20 bis 30 Prozent der Architektinnen gingen verloren, oft beim ersten Kind.
Marie-Theres Deutsch betonte, wie viel Leidenschaft der Beruf verlange und
wie wichtig die Rückendeckung durch Strukturen oder Partner sei.
Viele Argumente kannte ich, vielleicht zu gut, denn irgendwann klang es wie ein Refrain.
Frauen gründen nicht, Frauen wollen keine Verantwortung, Frauen reduzieren,
wenn Kinder kommen, Frauen trauen sich nicht.
Ein Refrain aus, weil sie, weil sie nicht, weil sie halt.
Ich verstand, was sie meinten und doch störte mich der Tenor.
Was ist das für ein Bild? Muss man wirklich rund um die Uhr brennen,
E-Mails um 3 Uhr morgens schreiben, am besten ganz auf eine Familie verzichten,
um als Architektin ernst genommen zu werden?
Gleichzeitig war da aber auch der Versuch, neue Wege zu zeigen.
Aline Hielscher betonte, wie viel anders die Strukturen in Frankreich oder Dänemark
seien. Mit 40-Stunden-Woche, klarer Planbarkeit, keinem Karriereknick trotz Elternzeit.
Auch die Initiative Herr Feminist, die Susanne Petry vorschlug, war ein starkes Signal.
Gleichstellung gelingt nicht gegen Männer, sondern nur mit ihnen.
Und die strukturellen Hürden, etwa die steigende Komplexität des Berufs bei
gleichzeitig kaum teilzeitfähigen Rahmenbedingungen, wurden klar benannt.
Und doch blieb die Diskussion im DRM statisch. Viel Erklärung, wenig Provokation.
Ich saß im Publikum und fragte mich, wollen wir wirklich nur am Sockel schnitzen,
damit ein paar mehr draufpassen?
Oder sollten wir endlich das Denkmal selbst hinterfragen? Das Selbstbild der
Architektur, kraftvoll, männlich,
heldenhaft und oft erstaunlich resistent gegen neue Perspektiven.
Viele der diskutierten Themen waren nicht neu. Sichtbarkeit,
Vereinbarkeit, Karriereknicke.
Der berühmte Gender Gap auf den Führungsebenen, all das wurde auch an diesem Abend verhandelt.
Mal analytisch, mal emotional, mal ein bisschen zu vorwurfsvoll.
Und ja, ich hatte mir stellenweise mehr Reibung gewünscht. Mehr Mut zur These,
weniger Rechtfertigung, mehr Gegenentwurf.
Dennoch, die Vorstellung, dass Frauen einfach lauter, engagierter,
risikofreudiger sein müssen, sie greift für mich zu kurz. Denn viele von uns tun das schon.
Es gibt mehr Frauen in Führungspositionen, mehr Professorinnen an den Hochschulen,
mehr Gründerinnen, Sprecherinnen, Vorbilder.
Sie übernehmen Verantwortung, sie organisieren, sie gestalten.
Nur eben anders. Im Gespräch statt im Rampenlicht, im Verbund statt im Alleingang.
Das sind keine Einzelfälle. Das ist eine Entwicklung.
Aber sie wird kaum sichtbar und sie droht, von alten Rollenbildern wieder plattgetreten zu werden.
Denn das System, das wir heute als Architektin und natürlich auch in anderen
Berufen durchlaufen, ist noch immer stark von Bildern geprägt,
die aus einer anderen Zeit stammen.
Von einer Sprache, die Heldentum glorifiziert und Zweifel ausklammert.
Von einem Selbstbild, das sich mehr über Durchhaltewillen definiert,
als über Fürsorge, Reflexion oder Kooperation.
Solange diese Strukturen bleiben, wie sie sind, ist jede Sichtbarkeit ein Kraftakt.
Kein Selbstläufer, sondern etwas, das immer wieder neu erkämpft werden muss.
Und vielleicht war das mein größter Aha-Moment an diesem Abend,
dass es nicht reicht, auf die Einzelnen zu schauen, auf die,
die sich zeigen, oder auf die, die eben fehlen.
Wir müssen uns viel grundsätzlicher fragen, was heißt Erfolg in der Architektur heute?
Was heißt Führung? Und was heißt eigentlich Präsenz, wenn Sichtbarkeit nicht
immer nur mit Lautstärke zu tun hat?
Genau darin liegt eine Aufgabe, für mich, für uns alle, zu benennen,
was schiefläuft und mitzudenken, wie es anders gehen kann.
Man muss nicht sofort mit Lösungen kommen, aber mit der Bereitschaft,
neue Fragen zuzulassen.
Susanne Petry hat diesen Abend im DRM veranstaltet, um etwas anzustoßen.
Und sie hat deutlich gemacht, das war kein Einzeltermin. Es war ein Auftakt,
eine Einladung zur Verbindung, zur Bündelung.
Denn es tut sich gerade einiges. Es entstehen Mentoring-Programme,
neue Netzwerke, Initiativen für junge Planerinnen, Veranstaltungen mit gezieltem Fokus.
Und es ist kein Zufall, dass Frankfurt und die Rhein-Main-Region im Jahr 2026
den Titel World Design Capital – Design for Democracy – Atmospheres for Better Life tragen wird.
Sichtbarkeit, Teilhabe, Gestaltungsmacht. Genau darum geht es.
In der Architektur, im Städtebau, auf den Bühnen, im Alltag.
Und auch die Veranstaltungsreihe von Susanne Petri geht weiter.
Sie plant für 2026 eine ganze Reihe neuer Abende, zum Beispiel über Frauen in
der Projektentwicklung, über Gleichstellung in der Lehre, über Sichtbarkeit
in Behörden und Bauverwaltungen.
Es ist ein klug gesetzter langfristiger Impuls.
Das alles zeigt, wir stehen nicht am Anfang. Wir sind mittendrin.
Es gibt Bewegung, es gibt Strukturen, es gibt Initiativen.
Und es gibt Frauen, die gestalten, verhandeln, verändern, in Büros,
an Hochschulen, auf Baustellen, in der Immobilienwirtschaft, in der Politik.
Aus Überzeugung. Und sie müssen nicht alles anders machen, aber sie müssen sichtbar sein.
Diese Baupause ist kein Fazit, sie ist ein Zwischenruf, vielleicht ein Anstoß
noch einmal genauer hinzusehen. Auf das, was sich gerade verändert und auf das, was wir dafür brauchen.
Räume, in denen neue Stimmen zu Wort kommen. Netzwerke, die tragen.
Formate, die andere Fragen stellen. Und eine Sprache, die diese Fragen offen hält.
Für uns alle.
Danke, dass Du heute dabei warst. Bis bald zur nächsten Baupause.
Bis zum nächsten Mal.
Feedback geben
Ihr habt Lob, Kritik, Fragen oder Ideen rund um den Podcast? Oder Ihr möchtet über den Inhalt einer bestimmten Episode diskutieren? Dann wählt im Formular die jeweilige Folge aus und schreibt mir gerne eine Nachricht. Ich freue mich auf Euer Feedback!