Architektourist

Der Podcast für Architektur, Bautechnik und Baukultur - von und mit Alexandra Busch.

#50 Bauwerk.Stimme – Weingut Cantzheim in Kanzem an der Saar

Ein Triptychon aus Barock, Beton und Glas

16.09.2025 9 min

Zusammenfassung & Show Notes

Zwischen Weinbergen und Saarhängen liegt ein besonderer Ort: das Weingut Cantzheim in Kanzem bei Trier. Ein barockes Gutshaus aus dem 18. Jahrhundert wurde von Max Dudler denkmalgerecht saniert und durch zwei Neubauten ergänzt: eine monolithische Remise aus Stampfbeton und eine filigrane Orangerie aus Glas und Stahl. Gemeinsam bilden sie ein Ensemble, das Geschichte und Gegenwart miteinander verbindet. Dabei ist Cantzheim kein Museum, sondern ein lebendiger Ort: Gästehaus, Vinothek, Veranstaltungsort. Ein Ort für Genuss, Begegnung und Erinnerung und ein Beispiel dafür, wie Architektur den Charakter eines Terroirs sichtbar machen kann.

Diese Episode von Bauwerk.Stimme erzählt von der Transformation eines Klosterguts in ein zeitgenössisches Weingut, von Räumen, die sich für Genuss öffnen, warum Stampfbeton wie gepresste Erde wirkt, wie die Orangerie die Struktur der Reben aufnimmt und von einer Architektur, die sich in die Landschaft fügt.

Das Weingut Cantzheim wurde 2022 mit dem Architekturpreis Wein ausgezeichnet.

Weitere Links:
Webseite des Weinguts Cantzheim
Projekt auf der Webseite von Max Dudler
Cantzheim auf Urlaubsarchitektur.de
Cantzheim auf der Webseite der Architektenkammer Rheinland-Pfalz

Coverbild: KI-generiert mit ChatGPT

Der Podcast:
Architektourist bietet eine Hörreise durch unsere gebaute Umwelt. In jeder Episode nehmen wir Euch mit in die Welt der Architektur und Baustoffe, erkunden kreative Anwendungen und tauchen ein in die Geschichten hinter den Bauprojekten – von der ersten Skizze bis zur fertigen Umsetzung.

Seid bei der nächsten Folge wieder dabei, wenn wir weitere spannende Projekte und Persönlichkeiten aus der Welt des Bauens vorstellen. Wenn Euch die Episode gefallen hat, abonniert Architektourist bei Eurem bevorzugten Podcast-Anbieter.

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Transkript

Du hörst Bauwerkstimme, ein Format von Architektourist. Ein Triptychon aus Barock, Beton und Glas. Das Weingut Cantzheim in Kanzem an der Saar. Wenn der Sommer sich langsam zurückzieht und die Luft morgens nach Nebel riecht, wenn die Tage kürzer werden und abends die letzten Sonnenstrahlen die Weinberge vergolden, Dann beginnt nicht nur der Herbst, es beginnt die Weinsaison. Überall in den Anbaugebieten der Saar, Mosel oder Ahr ziehen Winzerinnen und Winzer durch die Reihen, lesen Trauben von Hand, prüfen Reife, Zucker, Säure und holen das Beste aus dem Boden, dem Jahr und der Sonne. Und wie der gute Tropfen ein besonderes Glas verdient, so braucht auch seine Entstehung einen besonderen Ort. Einen Ort, der Herkunft und Charakter widerspiegelt. Immer öfter begegnet man daher in Weinbauregionen auch Architektur, die weit mehr ist als bloßer Produktionsort. Weingüter werden zu Marken. Sie erzählen Geschichten über Herkunft, Persönlichkeit und Handwerk. Gärraum und Gästeraum liegen heute oft nur eine Wandstärke auseinander. Und wenn gut gebaut wird, verschmelzen Kälte, Küche und Kultur zu einem Gesamterlebnis. Winzerinnen und Winzer von heute verstehen ihre Güter als Gesamtkunstwerke. Weinarchitektur dient der Identität und dem Image. Sie ist Einladung, Bühne, Verkaufsraum. In der Architektur des Weins zeigt sich die neue Kultur des Genießens. Vinotheken mit Blick auf den Hang, Remisen aus regionalem Stein, Orangerien aus Glas und Stahl. Architektur übersetzt das Terroir in Formen und Materialien, macht Herkunft sichtbar und Genuss räumlich erfahrbar. Ein Ort, an dem Landschaft zur Architektur wird, ist das Weingut Cantzheim in Kanzem an der Saar. Kapitel 1 Zwischen Reben und Geschichte. Kanzem liegt still am Ufer der Saar. Die Weinberge steigen steil auf, die Luft riecht nach Erde, nach Laub, nach Beginn der Lese. Hier, inmitten einer der ältesten Weinbauregionen Europas, steht das Gut Cantzheim, ein barockes Weingut mit langer, klösterlicher Vergangenheit. 1740 wurde es errichtet als Wirtschafts- und Wohngebäude eines Klosters. Später gehörte es dem Priesterseminar Trier. Und irgendwann fiel es in einen jahrzehntelangen Dornröschenschlaf. Bis Georg Thoma das Anwesen 2007 kaufte für seine Tochter Anna Reimann, die mit ihrem Mann Stefan ein eigenes Weingut gründen wollte. Was dann geschah, war kein radikaler Umbau, sondern eine behutsame Transformation. Mit Respekt vor der Geschichte und dem Anspruch, Neues mit Altbekanntem zu verweben. Max Dudler, der Architekt, der für seine klaren Linien seine Ruhe im Entwurf und seine Liebe zum Material bekannt ist, übernahm die Planung. Er renovierte das Gutshaus denkmalgerecht und stellte ihm rechts und links zwei Neubauten zur Seite, eine Remise und eine Orangerie. Doch statt auf Kontrast oder Aufsehen zu setzen, ging es hier um Fügung, um Respekt, um Maß. Auf der einen Seite die Remise, zweigeschossig ein Monolith. Schwere, Ruhe, Materialität. Ein Gebäude, das aussieht, als sei es direkt aus dem Hügel gepresst. Die erdfarbenen Schichten aus Stampfbeton spiegeln das Terroir. Die Handarbeit ist sichtbar geblieben. Auf der anderen Seite die Orangerie. Filigran, leicht, aus Stahl und Glas. Ihre Vertikalen erinnern an die Rebstöcke auf dem Hang. Transparenz trifft Tektonik. Sie zieht Linien in die Landschaft, lässt Licht fluten, schafft Durchblicke. Dazwischen das Gutshaus. Barock, massiv und doch elegant. Die neuen Bauten drängen sich nicht ans Stammhaus, sie flankieren es in respektvollem Abstand wie zwei zurückhaltende Begleiter. Es entsteht ein Dreiklang, Barock, Beton, Glas, Alt, Massiv, Transparent, ein Ensemble, das wirkt, weil jedes Teil seine eigene Sprache spricht. Kapitel 2 Räume für Genuss und Erinnerung. Gut Cantzheim ist kein Museum. Es ist ein Ort zum Ankommen, Verweilen und Weintrinken. Ein Weingut, das zugleich Gästehaus, Veranstaltungsort und Vinothek ist. Drei Zimmer im Obergeschoss des barocken Stammhauses wurden so charmanten Gästeräume umgebaut. Großzügig mit Blick ins Grüne, zeitgemäß eingerichtet, ohne den Charakter des Hauses zu überdecken. In der Remise liegen zwei weitere Zimmer, reduziert, modern, getragen vom Stampfbeton. Sogar Dach, Kamin und Treppen bestehen aus dem Material. Ein Haus wie aus einem Block und trotzdem durchlässig, offen, einladend. Im Erdgeschoss liegt die Technik unauffällig und funktional. So bleibt das Stammhaus frei für das, was es am besten kann, Gastgeber sein. Auch der Sockel der Orangerie ist aus Stampfbeton, ein stiller Brückenschlag zur Remise auf der gegenüberliegenden Seite. Die Orangerie bringt Licht und Offenheit ins Ensemble, mit Vinothek, Verkostung und Veranstaltungen, gefasst von Glaswänden, die sich weit öffnen lassen. Ganz anders die Stimmung im Stammhaus, tief unter den dicken Mauern, der historische Tonnengewölbekeller. Er wurde behutsam saniert und ist heute ein stimmungsvoller Veranstaltungsraum für Lesungen, Musik und Feste. Doch der vielleicht berührendste Raum im Gutshaus liegt verborgen, die alte Kapelle, ein kleiner quadratischer Raum, durch Lichtschächte von oben beleuchtet, sakral, ruhig, fast entrückt. Das Zusammenspiel der drei Gebäude wirkt präzise und zugleich ganz unaufgeregt. Auch die Außenanlagen, entworfen von Bernhard Korte, wirken wie gewachsen. Keine dekorative Gartengestaltung, sondern ein Rahmen für das Ensemble. Mit Kieswegen, Mauern, Wiesen. Nicht mehr als nötig, aber genau das, was passt. Kapitel 3 – Ein Dreiklang in der Landschaft Musik Musik Musik. Wein war nie nur ein Getränk. Er war Kult, Kultur, Kommerz, je nach Epoche. Bei den Römern war er Alltag, im Mittelalter Teil der klösterlichen Selbstversorgung, im Barock Ausdruck von Macht und Besitz. Und heute? Heute ist Wein Erlebnis, Identität, Landschaft in flüssiger Form. Weingüter wurden zu Marken und Architektur zu ihrem Ausdruck. Aber Architektur, die wirken will, muss ihren Ort kennen. Das Gut Cantzheim kennt ihn gut. Heute steht Cantzheim wie ein gebautes Triptychon in der Landschaft. Es ist ein Ort, der verbindet. Altes und Neues, Genuss und Gestaltung, Ruhe und Gastfreundschaft. Alles bleibt maßstäblich. Das Weingut duckt sich nicht weg, aber es stellt sich auch nicht auf einen Podest. Es ist ein Zuhause. Ein architektonisches Statement ohne Ausrufezeichen. Vielleicht ist genau das das Geheimnis, dass hier nichts schreit, sondern alles klingt. Ich kann nur empfehlen, fahrt mal hin, probiert, schaut und bleibt. Denn manche Orte erzählen mehr als jedes Etikett. Und manchmal sind sie selbst die schönste Geschichte, die ein Wein haben kann. Das war eine weitere Folge von Bauwerkstimme, dem erzählten Kurzformat von Architektourist. Wenn Dir diese Folge gefallen hat, empfiehlt sie gern weiter oder lass eine Bewertung da bei Spotify oder Apple Podcasts. Ich bin Alexandra Busch, danke fürs Zuhören. Bis zur nächsten Folge von Architektourist.

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