Architektourist

Der Podcast für Architektur, Bautechnik und Baukultur - von und mit Alexandra Busch.

#49 Bau.Pause – Gute Architektur statt Seriennummern

Zwischen Wohnungsnot, Gestaltung und dem Bauhaus heute

10.09.2025 11 min

Zusammenfassung & Show Notes

In dieser Baupause nehme ich dich mit nach Weimar zur NEW Bauhaus VISIONALE 2025. Zwischen Panels und Prototypen, alten Narrativen und jungen Ideen ging es um die Frage: Wie kommen wir aus der Wohnkrise? Ich teile meine Gedanken zu serieller Bauweise, dem Missverständnis rund um Gestaltung und Kosten und erzähle, warum gute Architektur mehr ist als ein System. Es geht um alte Fehler, neue Chancen und darum, was unser Gehirn mit schönen Räumen macht. Diese Episode ist ein Plädoyer für gute Räume, für leise Veränderung und für Architektur, die Menschen stärkt, gerade in Krisenzeiten.

Und wenn du tiefer einsteigen möchtest in die Frage, was gute Kommunikation in Baukultur und Bauwirtschaft leisten kann, dann lies auch meinen aktuellen BlogCast auf LinkedIn: Kommunikation in Bau- und Immobilienwirtschaft: zwischen Sichtbarkeit, Substanz und dem Ringen um Relevanz

Der Podcast:
Architektourist bietet eine Hörreise durch unsere gebaute Umwelt. In jeder Episode nehmen wir Euch mit in die Welt der Architektur und Baustoffe, erkunden kreative Anwendungen und tauchen ein in die Geschichten hinter den Bauprojekten – von der ersten Skizze bis zur fertigen Umsetzung.

Seid bei der nächsten Folge wieder dabei, wenn wir weitere spannende Projekte und Persönlichkeiten aus der Welt des Bauens vorstellen. Wenn Euch die Episode gefallen hat, abonniert Architektourist bei Eurem bevorzugten Podcast-Anbieter.

Ihr habt Fragen oder Vorschläge? Wir freuen uns auf Eure Nachrichten unter kontakt@architektourist.de.

Transkript

Nur mal laut gedacht. Willkommen zur Baupause, dem kurzen Gedankenstopp mit Architektourist. Ein paar Minuten für Baukultur, Alltagsbeobachtungen und spontane Überlegungen irgendwo zwischen Kaffeetasse, Skizzenrolle und Türrahmen. Ich war ja in Weimar, auf der New Bauhaus Visionale 2025. Zwei Tage voller Panels, Pitches, Gespräche und Begegnungen. Jetzt muss ich erstmal meine Notizen und meine Gedanken sortieren. Und ich merke, es geht mir nicht um eine nüchterne Analyse des Events. Ich will erzählen, was mir aufgefallen ist, was mich berührt hat und was mich nachdenklich macht. Besonders mit Blick auf die Wohnungsnot, das serielle Bauen und das, was wir eigentlich unter guter Architektur verstehen. Was das New Bauhaus eigentlich will? Also im Kern anknüpfen an die Ideen von 1919, als Walter Gropius Menschen aus Kunst, Handwerk, Architektur und Gestaltung zusammenbrachte, um gemeinsam das Bauen neu zu denken. Funktional, sozial, schön. Und für alle. Damals war das revolutionär, heute wäre es wieder dringend nötig. Denn wenn wir mal ehrlich sind, wir stehen an einem ähnlichen Punkt wie vor über 100 Jahren. Nur die Probleme haben sich verschärft. Wir haben eine massive Wohnungsnot, eine Klima- und Ressourcenkrise und eine Architekturdebatte, die sich oft im Kreis dreht. Die New Bauhaus Visionale will den Geist des historischen Bauhauses ins Heute holen. Mit Labs, Dialogen, Ausstellungen. Und ja, da war viel Bauhaus drin. Interdisziplinäres Arbeiten, junge Menschen, die neue Wege suchen. Fragen wie, wie wollen wir morgen leben? Was kann Architektur beitragen? Welche Verantwortung trägt die Bauwirtschaft? Ich habe Panels besucht, viele Stimmen gehört, viele Gesichter gesehen. Und vor allem ganz viele junge, motivierte Menschen zwischen 20 und 35. Kreative, Studierende aus Architektur und Design. Sie waren da, haben gearbeitet, gedacht, gezeichnet, diskutiert. Und ich dachte, wow, so viel Energie. Aber gleichzeitig so viel Stillstand auf der anderen Seite. Denn während die Jungen in den Labs an neuen Lösungen tüftelten, saßen auf den großen Bühnen die bekannten Player. Generalunternehmer, Bauindustrie, Verbände, Politik. Und was kam da? Immer wieder das gleiche Narrativ. Wir haben eine Krise. Die Politik tut zu wenig. Serielles Bauen ist die einzige Lösung. Ich will gar nicht polemisieren. Wir haben eine Krise. Wir stecken mitten in einer Wohnungsnot. Die Zahlen sind alarmierend. Laut Bundesbauministerium fehlen über 700.000 Wohnungen in Deutschland, besonders im bezahlbaren Segment. In Großstädten explodieren die Mieten, Menschen finden keinen Wohnraum, Familien werden aus den Zentren verdrängt. Klar ist, wir brauchen mehr Wohnungen. Und wir brauchen sie schnell. Die Frage ist nur, wie? Die Bundesregierung ruft den Bauturbo aus. Und die Branche ruft zurück, serielles Bauen ist die Lösung. Das Prinzip klingt erstmal logisch. Vorgefertigte Wandelemente, oft aus Holz. Gleichförmige Grundrisse, einfache Standards. Schnell errichtet, kostengünstig, effizient. Immer wieder hieß es in Weimar, Gestaltung ist zu teuer. Schönheit können wir uns gerade nicht leisten. Jetzt geht es um das Notwendige, nicht das Ästhetische. Und ich frage mich, seit wann ist Gestaltung überflüssig? Wir sprechen doch über Lebensräume, über Orte, an denen Menschen wohnen, alt werden, Kinder großziehen, sich sicher fühlen sollen. Orte, die nicht nur ein Dach über dem Kopf bieten, sondern ein Zuhause. Und ein Zuhause ist mehr als ein Grundriss. Die Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, Andrea Gebhard, hat in unserem Panel sinngemäß gesagt, wenn wir nur noch funktional bauen, verlieren wir den Menschen. Und ich finde, sie hat Recht. Gute Räume entstehen nicht trotz Gestaltung, sondern durch sie. Durch kluge Grundrisse, durch Lichtführung, durch Aufenthaltsqualität. Gestaltung ist nichts, was man oben draufsetzt, sie ist das Fundament. Wenn ich auf der Visionale eins gelernt habe, dann, wir brauchen mehr als Geschwindigkeit. Wir brauchen Qualität. Lebensqualität. Die Architektur darf nicht zur Seriennummer verkommen. Denn wo bleibt dann der Mensch, seine Bedürfnisse, seine Würde? Haben wir denn nichts aus der Vergangenheit gelernt? Es ist ja nicht das erste Mal, dass Deutschland mit einer Wohnungsnot kämpft. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Millionen Wohnungen gebraucht. Sofort. Und ja, es wurde schnell gebaut. Vieles war notwendig. Aber ein Teil dieser Gebäude war so funktional, so trist, so ungestaltet, dass ganze Stadtteile heute als Problemviertel gelten. Stichwort Trabantenstädte. Hohe Dichte, wenig Qualität. Keine Aufenthaltsqualität, keine soziale Durchmischung, keine Identifikation. Und heute Sanierung, Rückbau, Integrationsprogramme. weil man damals dachte, Hauptsache schnell. Oder nehmen wir die Bauten der neuen Heimat. In den 60er und 70er Jahren entstanden viele Wohnungen unter dem Dach dieser gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft. Auch hier viel Masse, große Volumina, teils ambitionierte Ideen, aber nicht immer gute Architektur. Es war ein Spagat zwischen Anspruch und Machbarkeit. Und nicht selten kippte das Gleichgewicht in Richtung Monotonie. Wer nur auf Quadratmeter und Geschwindigkeit setzt, bekommt oft genau das – Flächen ohne Leben. Was sagt denn die Forschung dazu? Es gibt klare Erkenntnisse aus der Umweltpsychologie, zum Beispiel die Broken-Window-Theorie. Sie besagt, wenn ein Umfeld heruntergekommen aussieht, steigen Kriminalität und Vandalismus. Gute Gestaltung wirkt dagegen wie ein soziales Immunsystem. Sie signalisiert, Du bist hier willkommen. Dieser Ort ist gepflegt, also pflegst Du ihn auch. Und es geht noch tiefer. Neurowissenschaften zeigen, dass gut gestaltete Räume unser Gehirn positiv stimulieren. Sie senken den Stresspegel, sie fördern Orientierung, Wohlbefinden, sogar Empathie. Eine schön proportionierte Fassade, ein durchdachtes Farbkonzept, ein Licht-Schattenspiel. Architektur beeinflusst unsere Emotionen, unsere Haltung, unser Miteinander. Und das sollte gerade in einer Krise wichtig sein. Und ja, es gibt sie, Projekte, die beweisen, dass günstiges Bauen und Gutgestaltung kein Widerspruch sind. Der soziale Wohnungsbau in Wien etwa, mit hoher architektonischer Qualität, viel Gemeinschaftsfläche, sozialer Mischung, günstigen Mieten. Oder Projekte wie das Mehr als Wohnen in Zürich, eine große Genossenschaft, die mit Menschen aus Architektur, Soziologie und Bewohnerinnen und Bewohnern zusammengeplant hat. Ergebnis? Hohe Lebensqualität, ökologische Standards, soziale Balance. Auch in Deutschland gibt es positive Beispiele. Genossenschaftliches Bauen, Baugruppen, integrierte Quartiersentwicklungen Wenn wir uns wohlfühlen, wenn unser Quartier lebendig und ansprechend ist, dann identifizieren wir uns mit ihm. Dann schützen wir, was uns umgibt. Dann entstehen Nachbarschaften. Dann entstehen Orte, an denen man bleibt, statt sie zu meiden. Deshalb ist Gestaltung kein Add-on. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass Städte lebenswert sind. Reiner Nagel, der Vorstandsvorsitzende der Bundesstiftung Baukultur, hat in Weimar gesagt, die richtig guten Projekte haben eine Geschichte. Und genau das, finde ich, ist der Schlüssel. Wenn Architektur eine Geschichte erzählt, über die Menschen, die dort wohnen, über das Quartier, über ein besseres Morgen, dann wird sie wertvoll, dann wird sie verteidigt, gepflegt, geliebt. Aber das schafft man nicht mit Copy-Paste-Wohnblücken von der Stange. Zurück zur Visionale. Ich habe dort viel Widersprüchliches erlebt. Junge Menschen voller Ideen und Entscheider, die nicht wirklich hinhören. Ein Festival für die Zukunft, aber mit wenig Partizipation der Gegenwart. Aber ich habe auch gespürt, der Geist des Barhauses ist da. Noch zaghaft, aber lebendig. In den Labs, in den Gesprächen, in den Begegnungen. Ich bin so vielen klugen, warmherzigen Menschen begegnet, habe berührende Rückmeldungen bekommen zu meinem Podcast und zu meiner Art, Dinge zu erzählen. Ich glaube, genau das ist mein Weg. Keine laute Disruption, sondern eine leise Veränderung mit Sprache, mit Nähe, mit Bildern. Mein Fazit? Wir brauchen mehr Verbindungen zwischen den Generationen, zwischen Bauwirtschaft, Gestaltung und Gesellschaft, zwischen Handwerk, Kunst und Technik. Und wir brauchen Formate, die diese Verbindungen hörbar machen, die nicht nur informieren, sondern inspirieren. Wie vielleicht auch diese kleine Baupause hier. Wenn Du weiterdenken willst, dann empfehle ich Dir meinen aktuellen Blogcast Kommunikation in Bau- und Immobilienwirtschaft zwischen Sichtbarkeit, Substanz und dem Ringen um Relevanz Ein Essay über Baukommunikation, KI, Sichtbarkeit, Echtheit und darüber, wie wir wirklich ins Gespräch kommen Du findest ihn in meinem Link in Newsletter Blogcast zu Architektourist Den Link packe ich Dir in die Shownotes Danke, dass Du heute dabei warst Diese Baupause war vielleicht ein paar Minuten länger, aber manches braucht einfach mehr Raum. Bis bald zur nächsten Baupause. Tschüss!

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