Architektourist

Der Podcast für Architektur, Bautechnik und Baukultur - von und mit Alexandra Busch.

#32 Schwammstadt, Starkregen, Stadtklima – Über den Umgang mit Wasser in Zeiten des Klimawandels

Mall Umweltsysteme zeigt mit aktuellen Studien und Projekten, wie Regenwasser zur Ressource wird

24.06.2025 40 min

Zusammenfassung & Show Notes

Extreme Wetterereignisse nehmen zu, das zeigt sich auch im Bauwesen. Auf der einen Seite Hitze, Dürre und ausgetrocknete Böden, auf der anderen Seite Starkregen und urbane Überflutungen. Wie können Städte mit diesen Herausforderungen umgehen? Welche Rolle spielt Regenwassermanagement in der Stadtplanung? Und was bedeutet das ganz konkret für Architekt:innen, Kommunen und Bauherr:innen?

In dieser Episode – dem ersten Teil einer Doppelfolge – geht es um genau diese Fragen. Im Fokus stehen die Erkenntnisse einer aktuellen Marktbefragung von Mall Umweltsysteme zur dezentralen Regenwasserbewirtschaftung: Was bewegt Planer:innen, Behörden und Fachleute? Wie hat sich der Blick auf das Thema verändert? Und wo stehen wir heute?

Ich spreche mit Christoph Schulze Wischeler, Geschäftsführer bei Mall, über die Rolle der Bauwirtschaft, mit Pressesprecher Markus Böll über Hürden und Potenziale in der Praxis und mit Dr. Tim Peters von der Provinzial Versicherung darüber, wie Versicherer das Risiko durch Starkregen und Hochwasser bewerten. Welche Gebäude lassen sich heute noch versichern? Und wie lassen sich Planungen anpassen, um Schäden zu minimieren?

In Teil 2 (erscheint am 26. Juni 2025) geht es dann um konkrete Lösungen: Dachbegrünung, Versickerung, Verdunstung und darum, wie die Idee der Schwammstadt technisch und planerisch umgesetzt werden kann.

Experten in dieser Episode:
Christoph Schulze Wischeler – Geschäftsführer, Mall GmbH
Markus Böll – Pressesprecher, Mall GmbH
Dr. Tim Peters – Meteorologe und Experte für Risikomodellierung bei der Datenservice+ GmbH, einer Tochtergesellschaft der Provinzial

Weitere Links:
Mall GmbH – Webseite
BuGG – Bundesverband GebäudeGrün e.V.
ZÜRS – Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen
Schwammstadtkonzept bei Mall
Zur Marktbefragung Regenwasser 2025 von Mall

Coverbild: Mall GmbH


Der Podcast:
Architektourist bietet eine Hörreise durch unsere gebaute Umwelt. In jeder Episode nehmen wir Euch mit in die Welt der Architektur und Baustoffe, erkunden kreative Anwendungen und tauchen ein in die Geschichten hinter den Bauprojekten – von der ersten Skizze bis zur fertigen Umsetzung.

Seid bei der nächsten Folge wieder dabei, wenn wir weitere spannende Projekte und Persönlichkeiten aus der Welt des Bauens vorstellen. Wenn Euch die Episode gefallen hat, abonniert Architektourist bei Eurem bevorzugten Podcast-Anbieter.

Ihr habt Fragen oder Vorschläge? Wir freuen uns auf Eure Nachrichten unter kontakt@architektourist.de.

Transkript

Liebe Architektouristinnen und Architektouristen, diese Episode wird unterstützt von Mall-Umweltsysteme. Herzlichen Dank dafür! Ob in der Stadt oder auf dem Land, Architektur umgibt uns. Überall. Stellt euch versiegelte Plätze vor, überhitzte Innenstädte und dann plötzlich ein Regenguss, so heftig, dass das Wasser nicht mehr abfließt. Was wäre, wenn Städte wasserkünftig nicht mehr loswerden müssen, sondern es speichern und nutzen? Kommt mit auf eine Hörreise durch unsere gebaute Umwelt. Heute sind wir zu Gast in Berlin auf den Spuren der Schwammstadt. Und das hier ist Teil 1 unserer Doppelfolge. Hallo und herzlich willkommen bei Architektourist, eurem Podcast für Architektur, Bautechnik und Baukultur. Ich bin Alexandra Busch und bevor wir gleich in die erste von zwei neuen Episoden einsteigen, möchte ich euch kurz mitnehmen in ein paar Gedanken, die mich in letzter Zeit immer wieder beschäftigt haben. Stellt euch einen heißen Juliabend vor. Der Asphalt glüht, der Stadtpark ist längst braun und die Bäume sehen aus, als hätten sie den September schon hinter sich. In den Nachrichten heißt es, bitte gießen Sie die Stadtbäume vor Ihrer Tür. In manchen Kommunen wird sogar das Rasensprengen verboten, weil das Trinkwasser knapp wird. Und das alles werden wir uns gleichzeitig auf die nächste Schlagzeile vorbereiten. Starkregen in Südeuropa. überflutete Straßen, unterspülte Häuser, Menschen in Not. Ob Ahrtal, Valencia oder auch Berlin. Wenn Regen heute kommt, dann oft als Flut. Wenn er nicht kommt, bleibt alles verdorrt. Beides hat fatale Folgen. Und beides zeigt uns ziemlich deutlich, wir müssen unsere Städte umbauen. Weg von der harten Oberfläche hin zur Schwammstadt. Also zu einem städtischen System, das Wasser hält, wo es gebraucht wird, statt es schnellstmöglich in die Kanalisation zu schicken. Denn genau das geht oft nicht mehr. Viele Kanäle sind überlastet, unterdimensioniert oder veraltet. Gleichzeitig bräuchten unsere Städte dringend Wasser. Für Kühlung, für Pflanzen, für Lebensqualität. Regenwasser-Management, Dach- und Fassadenbegrünung, dezentrale Systeme, das sind keine Nischenthemen mehr. Sie gehören ins Zentrum unserer Stadtplanung. Deshalb war ich im Mai 2025 in Berlin, auf Einladung der Firma MALL und des Bundesverbands Gebäudegrün. Dort ging es zwei Tage lang um die Frage, wie Städte klimaresilient werden können. Berlin selbst ist dafür ein ziemlich gutes Beispiel. Überraschend gut, wenn man bedenkt, dass sonst oft über Berlin geschimpft wird. Ich fand das Thema so wichtig, dass ich direkt gedacht habe, das muss in den Podcast. Schließlich wohne ich in Darmstadt, eine der heißesten Städte Deutschlands, also zumindest was die Temperatur angeht. Ich habe insgesamt sechs Interviews geführt mit Menschen, die auf ganz unterschiedliche Weise am Thema Schwammstadt arbeiten. Mit dabei sind Christoph Schulze-Wischeler und Markus Böll von MALL, Dr. Tim Peters von der Provinzial, Prof. Dr. Heiko Sieker von der gleichnamigen Ingenieurgesellschaft, Dr. Gunter Mann vom Bundesverband Gebäudegrün und Martin Lienhard aus der Technikabteilung von MALL. Und weil das alles so viel wertvoller Input war, habe ich mich entschieden, zwei Folgen daraus zu machen. In dieser ersten Folge geht es um das Warum. Warum? Warum müssen wir jetzt handeln? Was kostet es, wenn wir nichts tun? Und wie bringt man das Thema eigentlich in die Köpfe? Von Politik, Medien und Gesellschaft. Los geht's mit Christoph Schulze-Wischeler, dem technischen Geschäftsführer von MALL. Ich habe ihn gefragt, warum das Thema Wasserwende für ihn so zentral ist und was ihn daran nicht mehr loslässt. Seine Antwort beginnt ganz persönlich, führt dann aber schnell zu den größeren Zusammenhängen. Klimawandel, Stadtplanung, Infrastruktur. Und zur Frage, warum Regenwasser in unseren Städten nicht länger wie Abfall behandelt werden darf. Mein Name ist Christoph Schulz-Wischeler. Ich bin technischer Geschäftsführer der MALL-Umweltsysteme, das jetzt seit vier Jahren. Und in der Industrie eigentlich angekommen, gerade eben wegen dem Thema Wasserwende und dem Umgang mit Regenwasser als Ressource, was in der heutigen Zeit immer wichtiger wird. Und wir alle sehen die Folgen des Klimawandels an einigen Extrembeispielen wie dem Ahrtal, aber denke ich auch sonst an vielfachen Beispielen. Auch wo ich jetzt wohne in der Nähe von Singen, gab es im letzten Sommer eine Überflutung von der Unterführung und diverse Überflutungsszenarien von Kanalsystemen. Das kommt, denke ich, mittlerweile in sämtlichen Städten und umliegenden Gemeinden vor. und dementsprechend ist das ein brandaktuelles Thema, mit dem wir umgehen müssen. Mal ist eigentlich Mal-Umweltsysteme einer der Vorreiter im Bereich der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung, wie es unter Fachleuten heißt oder heute eben modernen Schwammstadt oder blau-grüne Infrastruktur. Da sind wir eigentlich schon seit den 80er Jahren unterwegs, haben Zisternen zum Beispiel für die Regenwassernutzung verkauft, als das eben noch breitflächig eher ein Thema für Naturschützer und Umweltschützer war. Und insofern sind wir schon einer der Pioniere in diesem Bereich und arbeiten da auch langjährig mit zahlreichen Experten zusammen. Das Thema ist schon länger klar. Es ist so, dass die, jetzt mal unabhängig vom Klimawandel. Die Kanalisation über die Zunahme der Versiegelung von Flächen bei gleichem Leitungsquerschnitt zunehmend überlastet ist. Und damit es wieder zu einer dezentralen Bewirtschaftung von Regenwasser kommen muss. Und da sind wir eben, wie gesagt, seit Jahrzehnten Vorreiter an der Stelle. Also worum es geht, ist der nachhaltige Umgang mit Regenwasser. Regenwasser. Es ist so, dass Regenwasser eigentlich klassisch in der Industrie, also in der Siedlungswasserwirtschaft, wie Abwasser oder wie ein Abfallprodukt behandelt wurde. Das heißt, er wurde immer eigentlich zentral über die Kanalisation und die Kläranlage fast vollständig in Oberflächengewässer abgeleitet. Das führte zu Überschwemmungen in den Oberflächengewässern, aber auch vorher eben zunehmend in den Städten. Davon muss jetzt abgewichen werden. Alleine schon aus dieser Überflutungsszenario und der unterdimensionierten Kanalisation muss man mit dem Regenwasser dezentral umgehen. Zweites Thema ist aber auch, dass jetzt durch den Klimawandel nicht nur die Überflutung Thema ist, sondern auch die Überhitzung der Städte und auch die Trockenheit, die ja dann eben zu den Stadtpflanzen, Bäumen etc. Einen enormen Stress verursachen. Und da muss man sich eben wieder bewusst werden vom natürlichen Wasserhaushalt. Und der natürliche Wasserhaushalt in der freien Natur sieht eben so aus, dass nicht fast der überwiegende Anteil vom Regenwasser abgeleitet wird ins Oberflächengewässer, sondern nur 10 Prozent fließt ab. 60 Prozent werden letztendlich über Pflanzen verdunstet. Führen dann auch zu einem entsprechenden Kühlungseffekt, was natürlich in Städten jetzt sehr interessant wird. Gerade im Sommer merkt man schon in der Stadt, ist man jetzt im Park oder in der Nähe zumindest in der Straße, die auch Bäume hat, in der Allee unterwegs. Oder ist das halt eine Straße, wie sie ja in Berlin zum Glück nicht so häufig sind, aber dann in Paris und Rom viel mehr, wo kein einziger Baum steht und halt nur Beton und die sich dann eben auch entsprechend überhitzen. Das Letzte beim natürlichen Wasserhaushalt ist die Versickerung mit 30 Prozent, die eben zu einer Grundwasserneubildung führt. Und gerade das wird auch immer entscheidender. Hier Berlin ist ja auch vom sehr starken Wassermangel betroffen und auch Grundwassermangel. Und dementsprechend ist es eben auch wichtig, dass wir das Regenwasser, was anfällt, versickern, so wie es in der Natur üblich ist, damit da auch eine Grundwasserneubildung entsteht. Mal. Der Name ist vielleicht nicht jedem geläufig. Dabei steckt dahinter eines der führenden Unternehmen für Umwelttechnik in Europa. Die Mal GmbH, oder genauer gesagt Mal Umweltsysteme, hat ihren Sitz in Donaueschingen und beschäftigt rund 500 Mitarbeitende an mehreren Standorten in Deutschland und Europa. Schon seit den 1980er Jahren entwickelt das Unternehmen Lösungen für den Umgang mit Regenwasser und war damit deutlich früher dran als viele andere. Heute bietet MALL ein breites Spektrum an technischen Systemen, vom klassischen Regenwasserspeicher über Versickerungsanlagen bis hin zu Rückhaltesystemen, mit denen Regenwasser gezielt gespeichert und langsam wieder abgegeben werden kann, zur Entlastung der Kanalisation und zum Schutz vor Überflutungen. Dazu kommen Anlagen zur Regenwasserbehandlung, Kleinkläranlagen für ländliche Gebiete, Abscheidetechnik für Industrie- und Tankstellen, Pumpstationen, Löchwasserbehälter und sogar Produkte zur Lagerung von Holzpellets. Kurz gesagt, alles was mit Wasser, Umweltschutz und nachhaltiger Technik zu tun hat, dafür bietet MAL passende Lösungen. Und nicht nur das, für Planerinnen und Planer gibt es umfassende Beratung, hilfreiche Bemessungstools, technisches Datenmaterial und Unterstützung bei Ausschreibung und Genehmigung. Besonders gefällt mir, dass MAL das Thema Schwammstadt nicht nur technisch, sondern auch konzeptionell denkt. Das Unternehmen engagiert sich aktiv für klimaresiliente Quartiere, bietet Schulungen und Fachtagungen an und arbeitet eng mit Hochschulen und Fachverbänden zusammen. Wer also wissen will, wie Wasser in der Stadt von morgen funktionieren kann, kommt an Mal eigentlich nicht vorbei. Und bei all den Systemen, Produkten und Anwendungen stellt sich natürlich auch eine ganz einfache Frage. Gibt es bei so viel Auswahl eigentlich ein Lieblingsprodukt, eines das für Christoph Schulze Wischeler ganz persönlich heraussticht? Absolut. Also ich finde eigentlich am spannendsten in der Tat Regenwasserbehandlungs- und Versickerungsanlagen, die dafür sorgen, dass man selbst auf Flughäfen, Bahnhöfen oder bei stark frequentierten Parkplätzen an Autobahnen aus Regenwasser, was mit Leichtflüssigkeiten verschmutzt ist, mit Reifenabrieb und mit diversen Abfällen hier einfach Regenwasser machen kann, was versickert werden kann. Und das ist ein ganz tolles Produkt, weil so verbinden wir letztendlich die Auswirkungen unseres technischen Lebens mit der Notwendigkeit der Natur und leben im Einklang. Sie haben sich ja entschieden, diese Presseveranstaltung in Berlin durchzuführen. Warum denn gerade hier? Ist Berlin aus Ihrer Sicht ein gutes Beispiel für den Schwammstadtumbau? Vorbildlich in jedem Fall. Das aber auch notgedrungen aufgrund der Situation. Also gemäß deutschem Wetterdienst war das Jahr 2024 das heißeste seit Wetteraufzeichnung. Und gleichzeitig zu nass im Westen, zu trocken im Osten. Gerade hier der Osten um Berlin herum vertrocknet. Das war im letzten Sommer ganz extrem und hat dadurch ein Bewässerungsproblem und auch ein Trinkwasserproblem. Und insofern ist das Thema hier besonders aktuell und auch relevant. Und gleichzeitig muss man auch ganz klar sagen, dass hier in Berlin und auch in den umliegenden Bezirken und Regierungsbezirken eben einfach das Bewusstsein für das Thema so besonders ausgeprägt wird und besonders viel für die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung auch getan wird. Viele Pilotprojekte haben hier stattgefunden in den letzten Jahrzehnten, also da reden wir nicht mehr jetzt nur über die letzten Jahre und da ist einfach Berlin auch Vorreiter an der Stelle und deswegen passt die Konferenz ganz gut hier nach Berlin. Stellen wir uns mal die Stadt von morgen vor. Was müsste aus Ihrer Sicht passieren, damit sie wirklich zukunftsfähig wird? Was wünschen Sie sich da? Ja, die Stadt der Zukunft sollte eben nicht nur wie in der Vergangenheit geprägt sein von Verkehrswegen und einem optimalen Wirtschaften, worauf die Stadt derzeit ausgelegt ist, wenn man mal von ein paar Parks absieht, sondern wir sollten halt in der Zukunft nicht gegen die Natur bauen, sondern mit der Natur. Das sind natürlich Parks und Wasserflächen, die wird man aber nicht überall schaffen können. Dafür sind die Flächenkonflikte in solchen Ballungszentren einfach viel zu groß. Aber man kann natürlich schon mit dem Schwammstadtkonzept arbeiten, wo man Gründächer vorsieht, Grünfassaden, Bäume in Baumrigolen. Versickerungsmulden und aber auch unterirdische Lösungen, denn ohne wird es nicht gehen. Ich denke, das wäre Utopie oder Träumerei, wenn man sozusagen den Verkehr und insbesondere auch Schwerlastverkehr aus der Stadt komplett verbannen wollte. Das ginge nicht, sondern da muss man mit unterirdischen Lösungen bauen. Im Tiefbau gibt es Wasserrückhaltebecken, Wasserbehandlungsanlagen und auch Wasserversickerungsanlagen. Das alles ist schon gängige Praxis und muss jetzt einfach nur vehement umgesetzt werden. Deswegen sehen wir auch heutzutage eigentlich schon, dass bei Neubauprojekten, dass letztendlich nicht nur Vorschrift ist, dass dieser natürliche Wasserhaushalt bei der Neuversiegelung von Flächen eigentlich eingehalten und wiederhergestellt wird. Das heißt, sprich, jeder soll das Regenwasser auf seinem Grundstück behalten und diesen natürlichen Wasserhaushalt wiederherstellen. Das ist bereits Vorschrift, wird aber auch jetzt zunehmend von den Behörden eingefordert. Aber das wird nicht reichen, sondern man muss natürlich dann auch im Bestand Lösungen finden, überall wo eben Umbaumaßnahmen anfallen. Und natürlich ist das nicht einfach, sondern ein Prozess, eine Philosophieänderung, was man über Jahrzehnte anders betrieben hat. Nämlich die zentrale Ableitung von Regenwasser muss jetzt sukzessive umgestellt werden, zurück zu mehr Natur und zum natürlichen Wasserhaushalt. Christoph Schulze-Wischeler hat es ziemlich klar auf den Punkt gebracht. Wenn wir unsere Städte wirklich klimaresilient machen wollen, müssen wir dringend umdenken, vor allem beim Umgang mit Regenwasser. Es geht nicht mehr darum, Regen einfach als Abfall loszuwerden. Gefragt ist ein neuer Blick. Regenwasser als wertvolle Ressource begreifen, die wir vor Ort nutzen, speichern, verdunsten und versickern – am besten genau dort, wo der Regen fällt. Genau darüber wurde auch in Berlin diskutiert, bei einer zweitägigen Pressereise, zu der Mal gemeinsam mit dem Bundesverband Gebäudegrün eingeladen hatte. Die Veranstaltung war wohltuend anders. Keine Show, keine Produktpräsentationen, keine glatt polierten Leuchtturmprojekte. Im Mittelpunkt standen Praxisbeispiele, die heute schon funktionieren und das Potenzial haben, anderswo genauso gut zu wirken. Und es ging auch um Sichtbarkeit. Mal und der Bundesverband Gebäudegrün wollten das Thema Regenwassermanagement dorthin bringen, wo es hingehört, mitten in den gesellschaftlichen und politischen Diskurs. Denn oft ist das Wissen über diese Möglichkeiten da, aber es fehlt an Aufmerksamkeit, an Durchsetzungskraft und an konkretem Tun. Ein wichtiger Teil der Veranstaltung war deshalb auch die Vorstellung einer aktuellen Marktbefragung, die das Unternehmen im Frühjahr 2025 in Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführt hat. Über 4.400 Teilnehmende aus Architektur- und Ingenieurbüros, Handwerk, Verwaltung, Hochschulen und Fachhandel haben ihre Einschätzung abgegeben. Und das Ergebnis ist eindeutig. Die Branche ist bereit. 77% der Planenden und Behörden sehen die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung als absolut notwendig. Themen wie Starkregen und Regenwassernutzung rangieren ganz oben auf der Agenda. Gefolgt von Rückhaltung, Verdunstung, Versickerung und Behandlung. Das zeigt, es braucht das Zusammenspiel vieler Bausteine, um Städte für die Zukunft zu wappnen. Was genau drinsteht in dieser Umfrage und wie das Stimmungsbild der Branche aussieht, darüber habe ich mit dem Pressesprecher vorhin mal gesprochen, mit Markus Böll. Mein Name ist Markus Böll. Ich bin zuständig bei der Firma MALL für Vertrieb und Marketing und für die Kommunikation. Das Thema Wasser beschäftigt mich seit über 30 Jahren, seit Beginn meiner Tätigkeit bei MALL und bin auch einer der maßgeblichen Personen, die das Thema Regenwasser in Deutschland vorantrieben haben über Verbandsarbeit, Kommunikation und Pressearbeit. Diese Marktumfrage Regenwasser ist jetzt die fünfte seit 2015 und wir haben immer wieder gute Ergebnisse, interessante Ergebnisse aus den Umfragen. Die wird jetzt heute vorgestellt offiziell im Zuge der Presseveranstaltung Regenwasser hier in Berlin und wird anschließend an Kunden über die Presse veröffentlicht und jeder soll Zugang haben für diese Information. Und sie wird auch öfters verwendet von anderen Institutionen, Verbänden, diese Marktbefragung. Die Befragung 2025 bringt eindeutig hervor, dass das Thema Starkregen sowieso ein großes Thema ist und verstärkt auch das Thema Trockenheit, Trockenphasen, wie jetzt aktuell auch in Deutschland, einfach an dem Norden, Berlin, Brandenburg, ganz große Trockenheit seit vielen Wochen. Also wir haben im Prinzip die Datenbank von Mal genommen, wie die Jahre davor auch, haben mehrere 10.000 Personen angeschrieben und haben jetzt 4.500 mitgemacht, haben teilgenommen. Und ist absolut repräsentativ. Auch die einzige Umfrage in der Form in Deutschland, Österreich, Schweiz, zum Thema Regenwasser, uns ist sonst auch keine bekannt. Man merkt, beim Thema Regenwasser hat sich echt was bewegt. Was früher oft als Randthema galt, ist heute fester Bestandteil der Baupraxis. Das bestätigt auch die neue Umfrage von MALL. Architektur- und Planungsbüros und Behörden sehen in der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung eine echte Chance. Besonders interessant ist, wie sich der Blickwinkel verändert hat. Regenwasser soll nicht einfach abgeleitet werden, es soll vor Ort bleiben, in Zisternen gesammelt werden, in grünen Flächen versickern oder über Pflanzen verdunsten. Das schafft Schatten, bringt Kühlung und macht aus grauen Flächen wieder lebendige Stadträume. Natürlich läuft nicht alles reibungslos. Manchmal fehlt der Platz, Genehmigungen dauern Und Wartung und Betrieb stellen zusätzliche Anforderungen. Trotzdem zeigt sich, wer früh und gut plant, spart am Ende oft Kosten. Bei der Erschließung, bei Gebühren und vielleicht auch beim Energieverbrauch statt Klimatisierung. Spürt man eigentlich in der täglichen Praxis, dass sich in den letzten Jahren etwas verändert hat? Wird Regenwasser heute anders gesehen, zum Beispiel von kommunalen Entscheidungsträgern oder Planenden? Genau darüber habe ich mit Markus Böll gesprochen. Vielen Dank. Auf jeden Fall. Also die Nachfrage von Seiten der kommunalen Entscheidungsträger hat deutlich, deutlich zugenommen. Das Thema Schwammstadt, das große Schlagwort der letzten Jahre, nimmt zu. Und die kommunalen Entscheidungsträger haben einfach jetzt kapiert, dass das Thema Regenwasser deutlich zunimmt. Und es wird nicht das Thema Regenwasser als Abwasser mehr gesehen, sondern als wertvolle Ressource. Wenn Sie auf Berlin schauen, ist die Stadt für Sie schon ein gutes Beispiel dafür, wie Schwammstadt gelingen kann? Oder ist sie eher noch auf dem Weg dahin? So mein Kenntnisstand, ich bin jetzt ja nicht so ortskundig wie jetzt im Schwarzwald oder Baden-Württemberg, aber Berlin ist auf einem guten Weg. Viele neue Wohngebiete außerhalb von Berlin werden nach System Schwammstadt gebaut. Wenn wir mal von Berlin weggehen, kennen Sie aus Ihrer Heimat rund um Donaueschingen vielleicht ein Projekt, bei dem das Thema Regenwasser sehr gut umgesetzt wurde? Ja, wir haben jetzt ja ländlich gesehen in Donaueschingen nicht das große Thema der Hitzeentwicklung. Aber wir haben auch Baugebiete mit Zisternen, Regenwasserversickerung. Und es gibt ja nicht den großen Wurf der Schwammstadt-Konzepte, sondern in der Fläche ist es wichtig, dass die einzelnen Bausteine umgesetzt werden. Also es gibt fortlaufend überall Projekte in dem Bereich Schwammstadt. Also es ist insgesamt auf dem richtigen Weg. Also dass da viel zu tun ist und dass in manchen Entscheidungsträger oder in manchen Ämtern der Kommunen noch ältere Denke da ist, auch normal. Aber es geht seinen Weg und wenn wir sehen, vor 20 Jahren, wie schwierig das Thema dezentrale Regenwasserwirtschaftung war, sind wir auf einem guten Weg. Wenn wir mal über die Fachwelt hinaus blicken, spüren Sie auch in der Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit für das Thema? Da gibt es ein bemerkenswertes Phänomen. Jeder denkt, der Starkregen betrifft die Nachbarregion oder die Nachbarstadt oder die Nachbarstadtteile, wie er in Berlin ja schon öfters war. Das Thema Trockenheit betrifft die ganze Region und das noch über mehrere Wochen, Monate hinweg. Ein Starkregen geht in der Regel ja ein plötzliches Ereignis. Klar, entsprechende Auswirkungen sind natürlich schlimm und dramatisch und auch nach außen hin, Ahrtal und so weiter. Man kennt die ganzen Themen, aber das Thema Trockenheit betrifft jeden in der Region und jetzt gerade im Frühjahr ja, wie schon gesagt, ganz stark. Klar, Regenwassermanagement ist heute oft gar nicht mehr optional. Ableiten darf man das Wasser ja vielerorts gar nicht mehr einfach so. Trotzdem ist es natürlich ein Thema, das Geld kostet, gerade wenn man Rückhaltung oder Versickerung mitdenkt. Was sagen Sie denn Bauherren, die da zögern? Wie holen Sie die denn ins Boot? Also es ist ja folgendermaßen, es gibt ja die Lösung der zentralen Lösung, wie die bis vor 20 Jahren so der Stand der Technik war. Das bedeutet, dass das Wasser über große Rohre weggeführt wurde in Fluss- oder Vorfluter. Und heute ist es so, dass man sagt, man verzichtet auf diesen großen Kanal, was immense Kosten sind und macht eine dezentrale Bewirtschaftung des Regenwassers. Sprich, man nutzt es vor Ort, man versickert es, man verdunstet es, je nachdem. Und dadurch hat die Kosten-Nutzen-Rechnung Vorteil für das Thema dezentrale Nutzung, sprich Schwammstadt. Unterm Strich ist eine dezentrale Regenwasserbewirtschaftung, also Umgang mit Regenwasser vor Ort, die günstigere wie die zentrale. Wenn man so viele Produkte und Systeme im Angebot hat wie Sie, gibt es da trotzdem einen Favoriten? Irgendwas, wo Sie sagen, das ist besonders wirkungsvoll oder clever gelöst. Das sehe ich einfach gerne in Projekten. Ja, das ist schwierig. Wir haben viele gute Produkte. Im Prinzip ist die Systemlösung jetzt bezogen auf das Thema Regenwasser an sich. Das Ideale ist, wenn das anfallende Regenwasser zuerst gesammelt wird für die Regenwassernutzung, für die Grünflächenbewässerung oder auch für WC-Waschmaschine im Haus und dann anschließend versickert wird, damit der Kreislauf, wie gesagt, vor Ort dann gegeben ist. Dass das Regenwasser bleibt lokal und geht nicht weg. Und wenn man nicht versickern kann, dann zeitverzögert, abgeleitet am Kanal. Also die Kombination, das Produkt an sich, gibt es jetzt bei uns nicht, sondern die Kombination, Systemlösung. Wenn Sie sich jetzt mal eine ideale Stadt der Zukunft ausmalen dürften, wie würde die aussehen? Was wäre Ihnen persönlich wichtig? Das sind natürlich jetzt viele, viele Facetten. Wir beschränken uns hier auf das Thema Regenwasser. Also zum einen ganz klar das Konzept Schwammstadt hier zu nehmen. Das bedeutet, dass das Wasser vor Ort gehalten werden soll, also sprich lokal. Und das hat zur Konsequenz, dass dieses Wasser entweder in Zisternen zurückgehalten wird für die Bewässerung von Grünflächen, für die Minderung der Hitzeinseln oder der Hitzeentwicklung, gerade im Sommer in den Städten oder dann, dass auch wenn es darüber hinaus der Starkregen wird, dann versickert vor Ort, damit das Grundwasser sich anreichert. Und ja, das sind so die Themen. Also das ist auf den Punkt gebracht, dass das Regenwasser als Ressource und Chance gesehen wird und nicht als Abwasser, sprich negativ, sondern sehr positiv. Gab es in letzter Zeit vielleicht ein Gespräch oder eine Begegnung, bei der für Sie besonders klar wurde, wo die größten Herausforderungen beim Thema Schwammstadt aktuell liegen? Ja, also spontan gestern war ich bei Dr. Carlo Becker, hier renommierter Landschaftsarchitekt in Berlin. Der hat vorhin gesagt, das Thema der Zukunft wird sein, Schwammstadt klar, aber die Abstimmung der Schnittstellen der einzelnen Gewerke. Da ist er sehr aktiv auf politischer Ebene, auf Verbandsebene. Und das wird eines der Herausforderungen sein, die Schnittstelle, die Abstimmung der einzelnen Gewerke, sprich Tiefbau, Landschaftsplanung, Haustechnik. Auch die unterschiedlichen Interessen, die ja da sind, zu bündeln, das ist die Herausforderung. Dass Schwammstadt kommt und kommen wird, das steht außer Diskussion, nur das Wie und Wie abgestimmt. Was Markus Böll und Christoph Schulze-Wischeler sagen, macht echt Mut. Beide zeigen, die Schwammstadt ist kein ferner Zukunftstraum. Sie ist längst im Kommen. Vieles ist technisch machbar, vieles wird bereits umgesetzt. Und das Beste ist, die Bereitschaft, etwas zu verändern, ist in der Branche spürbar. Bei Planenden, bei Kommunen, in Unternehmen. Was aber leider genauso sicher ist wie der Wandel, die nächsten Starkregen werden kommen und damit auch neue Risiken für Gebäude, Straßen, Keller, für Menschen und Städte. Deshalb spielt beim Planen heute ein ganz anderer Aspekt eine immer größere Rolle. Die Risikobewertung. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Grundstück in Zukunft überflutet wird? Was bedeutet das für eine Versicherung? Und wie lassen sich Schäden im Vorfeld vermeiden? Genau an dieser Stelle kommt ein Akteur ins Spiel, der bisher oft übersehen wird, aber in Zukunft ganz entscheidend sein dürfte. Die Versicherungswirtschaft. Denn sie muss Risiken nicht nur einschätzen, sondern auch finanzielle Verantwortung dafür übernehmen. Ich habe darüber mit Dr. Tim Peters gesprochen. Er ist Meteorologe und entwickelt bei der Provinzial datenbasierte Modelle, um Risiken durch Starkregen und andere Wetterextreme besser einschätzen zu können. Die Provinzial gehört zu den großen öffentlichen Versicherern in Deutschland und ist eine wichtige Anlaufstelle für Hausbesitzerinnen und Besitzer oder Kommunen und Unternehmen, wenn es um Versicherungsschutz bei Naturgefahren geht. Tim Peters kennt sich bestens aus mit der Frage, wie bewerten Versicherer eigentlich die Risiken, die durch Starkregen entstehen? Was können Bauherren, Planende, aber auch Städte tun, um Risiken zu senken und gleichzeitig klimaresilienter zu bauen? Bevor wir tiefer ins Thema einsteigen, stellt sich Tim Peters erstmal selbst vor. Mein Name ist Tim Peters. Ich bin vom Hintergrund her Meteorologe, habe mal Meteorologie in Hamburg studiert. Dann bin ich weitergezogen nach Karlsruhe, ans Karlsruher Institut für Technologie, habe da mal eine Doktorarbeit geschrieben. Beide Abschlussarbeiten drehten sich um das Thema Starkregen, die Messung von Starkregenereignissen. Und habe dann nach der Promotion gemerkt, dass die Wissenschaft zumindest häufig eine brotlose Kunst ist, weil man doch keine Verträge dauerhaft weiterbekommt. Habe mir dann ein neues Betätigungsfeld ausgesucht, bin fündig geworden in der Versicherungswirtschaft. Habe angefangen bei der damals noch westfälischen Provinzial im Aktariat, hieß es damals Versicherungsmathematik Privatkunden war der Name. Und habe mich da letztendlich neben der Tarifkalkulation für die Sachsparten, also Hausrat, Wohngebäude, vor allen Dingen um die Naturgefahrenmodellierung gekümmert. Weil natürlich ein Großteil der Schäden tatsächlich wetterinduziert sind im Sachbereich und habe dann Schadenmodelle aufgebaut, dass wir also nach einem Starkregen, nach einem Wintersturm sehr schnell sagen konnten, wie hoch die Betroffenheit ist, wie viele Schäden wir rechnen müssen, und was das dann eben auch für die Folgeprozesse heißt. Vollmachten zum Beispiel für die Agenturen, auch natürlich Presse-Nachrichten und so weiter. Da war ich dann immer relativ frühzeitig mit meinen Modellen dabei. Und das ganze Thema haben wir dann erweitert, dass es dann nicht nur um Wetterdaten ging, sondern auch um soziodemografische Daten, um Gewerbedaten, Gebäudedaten. Und das hat im Grunde alles so gut funktioniert, dass wir dieses ganze Thema jetzt in der eigenen Tochtergesellschaft in der Provinzial gegossen haben. Und wir hauptberuflich Daten aufbereiten, verschneiden und dann eben auch anbieten für die Versicherungswirtschaft, für die Immobilienwirtschaft, für Energiewirtschaft. Stellen eben Daten zu allen 57 Millionen Gebäuden zur Verfügung. Die meisten Verträge haben wir bei privaten Hauseigentümern. Und das ist natürlich auch der Schwerpunkt. Und da haben wir natürlich auch eine entsprechend große Schadenlast, die dann geschultert werden muss, mit der wir uns einfach beschäftigen müssen in der täglichen Arbeit. Vernünftige Modelle aufzubauen, Risikobewertungen durchzuführen, aber auch zu schauen, was machen Extreme Ereignisse mit unserem Bestand. All das ist so Bestandteil der täglichen Arbeit. Wie verändern sich denn gerade die Risiken für Gebäude, aber natürlich auch für Leib und Leben durch den Klimawandel? Wir haben ja genügend Beispiele in den letzten Jahren eigentlich gesehen. Und gerade wenn Sie Leib und Leben ansprechen, haben wir bei der Ahrtalflut nach dem Tief Bernd sind 180 Menschen gestorben. Also das sind ja durchaus Risiken, die dann einfach sehr plötzlich auf einen zukommen, wo man keine lange Vorlaufzeit hat natürlich. Sehen wir bei anderen Ereignissen genauso. Münster 2014 sind auch Personen ums Leben gekommen, weil einfach die Vorwarnzeit nicht da ist. Und solche Ereignisse häufen sich natürlich. Also wir sehen den Temperaturanstieg. Mit dem Temperaturanstieg ist mehr Energie im System. Dadurch haben wir eben auch intensivere Ereignisse, höhere Niederschlagsummen, größere Intensitäten. Und je nachdem, wo das dann runterkommt, hat das dann natürlich, wie wir es gesehen haben, eben auch katastrophale Folgen. Also es wird mehr, kann man ganz klar sagen. Die Risikosituation verändert sich und die Risikosituation erhöht sich. Also wir sind steigenden Risiken ausgesetzt durch klimatische Veränderungen. Wie macht man denn so eine Risikobewertung? Naja, es gibt ja verschiedene Modelle, die da sind tatsächlich. Es gibt ja auch vom GDV. Ich habe mit dem GDV viel zusammengearbeitet. Sondierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen ist vielleicht ein Begriff, also ZIRS. Da war ich in der Entwicklung mit beteiligt. Letztendlich kombiniert man verschiedene Datenquellen. Pegeldaten, die man mit einfließen lässt, Geländemodelle. Und dann kann man daraus eben entsprechend über statistische Verfahren letztendlich Risikozonen ermitteln. Und dann hat man in der Versicherungswirtschaft noch die Möglichkeit, diese Zonen natürlich dann auch mit gemessenen, mit beobachteten, mit gemeldeten Schäden eben auch zu kombinieren und damit diese Zonen, die man ermittelt, eben auch zu validieren. Und je nachdem, welche Gefahr man sich anguckt, ob das Hochwasser ist, also Flussausuferungen, ob das Starkregen ist, ob das Winterstürme sind, nutzt man natürlich ganz unterschiedliche Eingangsdaten letztendlich. Was fast immer eine Rolle spielt, sind Geländemodelle. Wir arbeiten sehr viel mit Geländemodellen, einfach um die Topografie zu beschreiben, um Gebäude in der Senke zu identifizieren, die natürlich bei Starkregen einer höheren Gefahr ausgesetzt sind. Im Wintersturm dagegen sind es eher Gebäude auf der Kuppe natürlich, die höher und stärker betroffen sind. Also je nachdem, welche Gefahr man anguckt, nutzt man verschiedenste Informationen, die man einfach geeignet kombiniert und verschneidet. Wo bekommen Sie denn Ihre Informationen her? Ganz unterschiedliche Quellen. Letztendlich geht mittlerweile der Trend ganz viel zu Open Data, dass ganz viele Daten eben auch als öffentliche Daten, als freie Daten auch zur Verfügung gestellt werden. Davon profitieren wir natürlich auch sehr, sehr stark, dass man Daten nicht einkaufen muss. Da vielleicht eine Anekdote. 2014 war ich im Büro meines damaligen Vorstands und wollte gern ein Geländemodell haben. Nur für NRW mit 5 Meter Auflösung damals. Und das sollte kosten nur für Nordrhein-Westfalen 200.000 Euro. So, das Gespräch war nach 30 Sekunden, zumindest der Tagesordnungspunkt war nach 30 Sekunden vorbei. Mittlerweile gibt es diese Daten in besserer Auflösung, ein Meter Geländeauflösung, kostenfrei in allen Bundesländern. Also man kann sich diese runterladen, letztendlich auch für alle privaten und kommerziellen Einsatzzwecke nutzen und diese Daten dann eben entsprechend verarbeiten. Ganz unterschiedliche Datenquellen, die wir anspielen. Viel von Behörden, viel von Ländern. Alles, was so Geobezug hat, wird verarbeitet. Wir arbeiten vollständig in der Cloud. Ansonsten könnten wir solche teilweise kurzfristig benötigten Performance-Anforderungen auch gar nicht umsetzen. Also die Daten, die wir verarbeiten, das sind allein die Geländemodelle, ungefähr drei Terabyte, die man da durchschleust und dann eben auch noch verschiedene Daten ableitet. Also wir haben einen riesen Speicherbedarf und eben auch eine entsprechende Anforderung an die Leistungsfähigkeit der Systeme. Das sehen wir leider immer noch, dass viele Sachen natürlich nicht digitalisiert sind, dass es immer noch Verträge gibt, die in irgendwelchen Aktenordnern abgelegt sind. Und das macht für alle natürlich die Arbeit wirklich schwierig, weil wir natürlich nur digital vorliegende Daten verarbeiten können, weiterverarbeiten können, geokodieren können, mit anderen Informationen verschneiden können und daraus dann letztendlich entsprechende Schlüsse ziehen können. Bei all den Krisen und Unsicherheiten weltweit, wie gelingt es Ihnen da eigentlich, die ganzen Daten sinnvoll auszuwerten und daraus klare Entscheidungen abzuleiten? Und was passiert, wenn ein Risiko zu hoch ist? Lehnen Sie dann auch Versicherungsanträge ab? Es gibt tatsächlich Anfragen, mit denen man sich schwer tut. Das betrifft jetzt nicht nur unsere Holding, sondern eben auch letztendlich die gesamte Branche. Es gibt vier ZÜRS-Zonen, also das Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen. Da sind eben die Gebäude, die in Zone 4 liegen. Das sind Gebäude, die alle zehn Jahre betroffen sind. Mit denen tut man sich natürlich entsprechend schwer. Die, die versichern, da läuft das in der Regel so, dass zumindest mal ein Sachverständiger hinfährt, um eben auch zu gucken, inwieweit schadenverhindernde Maßnahmen noch ergriffen werden können. Dann vielleicht auch inwieweit diese in bestimmter Form auch generalisierten Modelle natürlich dann vielleicht für das Gebäude jetzt nicht zutreffen, man die Wiederkehrperiode quasi anpassen kann. Aber klar mit denen, das sind 0,5 Prozent der Adressen. Also wir reden jetzt hier auch nicht über ein Riesenthema, aber klar mit denen, da guckt man auf jeden Fall sehr, sehr genau hin. Heißt aber auch im Umkehrschluss, 99,5 Prozent der Risiken können letztendlich ohne Probleme auch versichert werden. Zu dann natürlich auch entsprechenden Beiträgen. Wenn ich in einer höheren Risikozone lebe, dann habe ich natürlich das Thema, dass ich dann auch ein bisschen mehr Beitrag habe. Aber so der Medianbeitrag für die Elementarschadenversicherung liegt bei so roundabout 100 Euro plus dann noch Versicherungssteuer. Dazu ist man bei 120 Euro im Jahr, 10 Euro im Monat. Ich glaube, das ist okay. Warum wird trotzdem noch in gefährdeten Gebieten gebaut? Gibt es da zu wenig Auflagen oder fehlt einfach das Bewusstsein bei den Bauherren? Ich habe mich immer um das Massengeschäft letztendlich gekümmert, versucht da unsere Prozesse zu optimieren, weil das eben dann doch einen Großteil der Anfragen einfach ausmachte. Und da wundert es mich immer nur, wie viele, also eher so ein Negativbeispiel tatsächlich, wie viele Gebäude doch in Überschwemmungsgebieten einfach gebaut werden. Also ich habe das natürlich jetzt nicht im Stichtag heute irgendwie ausgewertet, aber so für die letzten Jahre ist das tatsächlich so gekommen, dass wir in einzelnen Bundesländern einen hohen, also ich finde signifikanten, auf jeden Fall einen zu hohen Anteil an Gebäuden haben, die auch in Überschwemmungsgebieten liegen. Und was mit diesen Gebäuden passiert, haben wir ja bei der Ahrtal-Katastrophe letztendlich auch sehr eindrucksvoll gesehen. Was vermuten Sie denn, was da die Gründe sind? Also es geht ja schon los, dass es überhaupt ausgewiesen wird für entsprechende Bauvorhaben. Eigentlich sollte da ja grundsätzlich nicht gebaut werden. Es gibt einen Bestandsschutz. Wenn irgendwas passiert ist, kann man da wieder aufbauen. Aber letztendlich sollte das gar nicht erst ausgewiesen werden. Ich finde, damit fängt der Fehler im Grunde schon an, dass man diese Bereiche überhaupt als Bauland deklariert. Aber es sind natürlich auch attraktive Flächen. Also so direkt am Wasser. Ich gucke auch gerne aufs Wasser. Also ich habe das auch gerne. Also ich kann das schon nachvollziehen, dass man da auch gerne wohnen möchte. Aber man sollte sich dann der Risikosituation eben auch sehr bewusst sein. Und da finde ich es schon. Interessant, auch nicht nachvollziehbar, wie wenig sich dann um sowas gekümmert wird von den Hauseigentümern. Dieses Risiko im Bewusstsein eigentlich überhaupt nicht angekommen ist. Viele auch keine Ahnung haben, wie sie versichert sind, wie das Risiko sich überhaupt auswirken kann, was für ein gewaltiges finanzielles Risiko auch dahinter steckt. Wenn man nicht versichert ist, in der entsprechenden Zone wohnt, das kann bis zum, ja, letztendlich Totalschaden eines Gebäudes führen durch Starkgegen. Also die Zahlen sind bekannt. Der maximale Einzelschaden an einem privat genutzten Ein- oder Zweifamilienhaus nach Bernd, also im Ahrtal, lag bei 960.000 Euro. Das zahlt man nicht aus der Portokasse. Und der Durchschnittsschaden in 9a bei dem Ereignis lag bei 160.000, 170.000 Euro. Das sind alles keine Werte, die man mal eben verkraftet. Und dass man da dann doch relativ blauäugig damit umgeht, finde ich immer wieder erstaunenswert. Ich sehe das natürlich auch in der eigenen Familie, dass sich da eigentlich gar nicht drum gekümmert wird. Dass man sich, wenn man dieses Eigentum eben hat, sich damit gar nicht beschäftigt. Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Weil eben alles, letztendlich alle Zahlen vorliegen. Man muss sie sich nur vielleicht zusammensuchen oder auf solche Veranstaltungen wie von Mall gehen. Extreme Wetterlagen gehören längst zu unserem Alltag, auch wenn wir das manchmal gerne verdrängen. Da sind zum einen die langen, heißen Sommer, die Trockenheit, die Hitzewellen. Und ganz ehrlich, die Gefahr, die davon ausgeht, wird immer noch massiv unterschätzt. Hitze belastet nicht nur unsere Städte und Landschaften, sie ist lebensgefährlich. Vor allem für ältere Menschen, Kinder, für alle, die gesundheitlich vorbelastet sind. Herzkreislaufprobleme, Hitzeschläge, Schlafmangel, Dehydratation sind Realität. Und dann die andere Seite, der plötzliche heftige Regen. Wenn die Luft durch die steigenden Temperaturen immer mehr Feuchtigkeit speichert, dann kommt sie irgendwann, schlagartig, in Form von Starkregen, Überflutung, Rückstau. Ganze Straßenzüge stehen unter Wasser, Keller laufen voll. Auch das passiert inzwischen regelmäßig und doch fehlt vielerorts noch das Bewusstsein für die Ursachen und Konsequenzen. In dieser Folge haben wir uns genau damit beschäftigt. Was bedeutet das für unsere Städte? Warum brauchen wir dringend ein Umdenken im Umgang mit Regenwasser? Und wie können wir Städte so umbauen, dass sie widerstandsfähiger werden? Klimaresilient eben. In der nächsten Folge geht es dann weiter mit der Praxis. Wir schauen uns an, wie die Schwammstadt ganz konkret funktionieren kann. Mit welchen technischen Systemen, mit welchen grünen Konzepten, mit welchen Hindernissen und Chancen. Mein ganz herzlicher Dank geht an meine heutigen Gesprächspartner. Christoph Schulze-Wischeler und Markus Böll von Mall-Umweltsysteme sowie Dr. Tim Peters von der Provinzial. Wenn ihr mehr wissen wollt, schaut gerne in die Shownotes. Dort findet ihr weiterführende Infos und Links zum Thema. Wenn ihr selbst ein spannendes Projekt habt oder ein Thema, das euch unter den Nägeln brennt, schreibt mir gerne, per Mail oder auf LinkedIn und Instagram unter Architektourist. Und wenn euch diese Folge gefallen hat, lasst gern eine Bewertung da oder empfehlt den Podcast weiter. Natürlich auch abonnieren nicht vergessen, damit ihr auch Teil 2 zur Schwammstadt nicht verpasst. Ich bin Alexandra Busch. Danke fürs Zuhören und bis zur nächsten Folge. Tschüss!

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