Architektourist

Der Podcast für Architektur, Bautechnik und Baukultur - von und mit Alexandra Busch.

#15 Dynamik der Stadtentwicklung – Das Dorotheen Quartier in Stuttgart

Behnisch Architekten gestalten die Neue Mitte Stuttgarts

29.10.2024 27 min

Zusammenfassung & Show Notes

Wie kann ein urbanes Quartier die Beziehung zwischen neuer und alter Stadtstruktur neu definieren? In dieser Episode von Architektourist entdecken wir das Dorotheen Quartier in Stuttgart. Nach dem Wettbewerbsgewinn durch Behnisch Architekten im Frühjahr 2010 erlebte der Architekturentwurf einige signifikante Änderungen in der Planungsphase. Seit der Fertigstellung 2017 verbindet das Quartier, strategisch positioniert zwischen Karlsplatz und Markthalle, öffentliche Plätze und schafft eine nahtlose Verknüpfung des urbanen Raums. Ich diskutiere mit Stefan Behnisch von Behnisch Architekten über die architektonische Integration in die bestehende Stadtstruktur und wie das Projekt sowohl historische Werte respektiert als auch zeitgenössische Akzente setzt. Maximilian Ernst von Puren erläutert die technischen Aspekte des Kompaktdachs, das eine wichtige Rolle für Funktionalität und Sicherheit der Dachlandschaft im Dorotheen Quartier spielt. 

Die Episode ist eine Zweitverwertung und wurde ursprünglich im Rahmen der Podcastserie „BauTour Stuttgart“ produziert. Diese Serie entstand für die Messe DACH+HOLZ International 2024. Sie wurde in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Handwerksmessen (GHM) entwickelt und bietet spannende Einblicke in sechs aktuelle Bauprojekte in Stuttgart.

Die Experten in dieser Episode:
Stefan Behnisch – Architekt und Gründungspartner bei Behnisch Architekten in Stuttgart
Maximilian Ernst – Leiter der Anwendungstechnik bei Puren

Weitere Links:
Bauherr: EKZ Grundstücksverwaltung, Stuttgart
Architekten: Behnisch Architekten, Stuttgart
Dämmung Kompaktdach: puren GmbH, Überlingen
Glasfassade: Roschmann Konstruktionen aus Stahl und Glas, Gersthofen
Natursteinfassade: Lauster Steinbau, Stuttgart
Webseite Dorotheen Quartier

Messe DACH+HOLZ International
Gesellschaft für Handwerksmessen (GHM)

Coverbild: Alexandra Busch

Der Podcast:
Architektourist bietet eine Hörreise durch unsere gebaute Umwelt. In jeder Episode nehmen wir Euch mit in die Welt der Architektur und Baustoffe, erkunden kreative Anwendungen und tauchen ein in die Geschichten hinter den Bauprojekten – von der ersten Skizze bis zur fertigen Umsetzung.

Seid bei der nächsten Folge wieder dabei, wenn wir weitere spannende Projekte und Persönlichkeiten aus der Welt des Bauens vorstellen. Wenn Euch die Episode gefallen hat, abonniert Architektourist bei Eurem bevorzugten Podcast-Anbieter.

Ihr habt Fragen oder Vorschläge? Wir freuen uns auf Eure Nachrichten unter kontakt@architektourist.de.

Transkript

Ob in der Stadt oder auf dem Land, Architektur umgibt uns. Überall. Stellt euch ein Stadtviertel vor, dessen Gebäude auf Sockeln aus Kalkstein, Aluminium und Glas ruhen und sich dann nach oben verjüngen, gekrönt von Dachgeschossen, die als fünfte Fassade gestaltet sind. Kommt mit auf eine Hörreise durch unsere gebaute Umwelt. Heute sind wir zu Gast im Dorotheen Quartier in Stuttgart. Hallo und willkommen zurück bei Architektourist, eurem persönlichen Audio-Guide durch die spannende Welt der Architektur, Bautechnik und Baukultur. Mein Name ist Alexandra Busch. Heute schnappen wir uns mal wieder unsere virtuellen Wanderstiefel und machen uns auf in die östliche Stuttgarter Innenstadt zum Dorotheen Quartier. Zuvor eine kleine Information für euch. Diese Episode ist eine Zweitverwertung und zwar erneut aus meiner Podcast-Reihe Bautour Stuttgart. Die Bautour Stuttgart ist ein Projekt, das ich im Rahmen der Messe Dach und Holz 2024 für die Gesellschaft für Handwerksmessen machen durfte. Den Link zur Bautour Stuttgart und zur Messe Dach und Holz findet ihr wie immer in den Shownotes. Das Dorotheen Quartier liegt zwischen dem alten Schloss, der Markthalle und dem Rathaus und ist noch recht jung. Die Neugestaltung des Stadtviertels wurde im September 2017 abgeschlossen und erstreckt sich über eine Fläche von 47.000 Quadratmetern. Hier findet ihr eine vielfältige Auswahl an Geschäften, gemütlichen Cafés und Restaurants sowie Büro- und Wohnflächen. Ziel der Neugestaltung war es, eine lebendige Innenstadtfläche zu schaffen mit attraktiven, hochwertigen Fassaden an allen Seiten, die sich nahtlos in das Umfeld einfügen. Die Shopping- und Gastronomiebereiche des Dorotheen Quartiers sind natürlich öffentlich zugänglich, also könnt ihr euch jederzeit selbst gerne auf eine Erkundungstour dort begeben. Und hier kommen nun einige kompakte bauliche Infos zu unserem heutigen Fokusprojekt. Ich wünsche euch viel Spaß beim Zuhören. Im Jahr 2009 setzte die Bräuninger Warenhauskette in Zusammenarbeit mit dem Land Baden-Württemberg die Weichen für dieses außergewöhnliche Projekt. Es wurde ein Wettbewerb zur Neugestaltung des damals noch Quartier am Karlsplatz genannten Areals ausgeschrieben. Aus dem Viertel sollte ein lebendiger Mix aus Einzelhandel, Gastronomie, Büros und Wohnungen entstehen, ein ambitioniertes Vorhaben, das die Innenstadt Stuttgarts nachhaltig prägen würde. Das bekannte Stuttgarter Architekturbüro, wenig Architekten, ging siegreich aus dem Wettbewerb hervor. Doch das Projekt nahm eine unerwartete Wendung. Im Zentrum der ursprünglichen Planungen stand der Abriss des Hotel Silber, einer ehemaligen Gestapo-Zentrale. Eine engagierte Bürgerbewegung trat jedoch für die Erhaltung dieses geschichtsträchtigen Ortes ein, was 2011 zur Entscheidung der Landesregierung führte, hier einen Gedenk- und Erinnerungsort zu errichten. Die Entscheidung, das Hotel Silber zu erhalten, führte zu einer Neustrukturierung der ursprünglich geplanten Baukörper. Wenig Architekten schufen nun eine Beziehung zwischen den Neubauten und dem Hotel Silber, indem sie nicht wie im Wettbewerb ursprünglich geplant zwei große Blöcke errichteten. Stattdessen greifen die Gebäude nun den historischen Stadtgrundriss auf, sind auf drei Volumen aufgeteilt und in ihrer Höhe und Größe reduziert. Das Resultat ist eine feinere Gliederung, die attraktive neue Wegeverbindungen und Sichtachsen schafft, die das Quartier mit wichtigen Orten der Stadt verknüpfen. Außerdem weiten die nicht rechtwinkligen Grundrisse den öffentlichen Raum und sorgen so für neue Plätze zum Verweilen. Die Architektur des Dorotheen Quartiers ist geprägt von unterschiedlichen Ebenen. Es beginnt mit vier- bis fünfgeschossigen Sockeln mit Fassaden aus hochwertigem Kalkstein, glänzendem Aluminium und großflächiger Verglasung, die eine einheitliche Geometrie bilden. Über dieser Basis erstrecken sich Gebäudevolumina, die sich nach oben hin verjüngen und drei bis vier Dachgeschosse umfassen. Diese Dachgestaltung hat eine besondere Bedeutung. In der Kessellage Stuttgarts sind die Dächer von vielen Punkten der Stadt aus sichtbar. Aus diesem Grund erfüllen die Dächer im Dorotheen Quartier mit ihren bläulich getönten Glasflächen und grünen Dachterrassen die Funktion einer fünften Fassade. Diese fünfte Fassade bietet nicht nur den Menschen, die dort wohnen und arbeiten, einen Mehrwert, sondern bereichert auch die städtische Landschaft. So, jetzt haben Sie bereits eine Menge über das Dorotheen Quartier erfahren. Aber um noch tiefer in das Projekt einzutauchen, habe ich jetzt einen ganz besonderen Gast für Sie. Stefan Behnisch, der Gründungspartner des weltweit tätigen Büros Behnisch Architekten mit Sitz in Stuttgart, wird uns in dem folgenden Gespräch tiefer in die Hintergründe und Visionen des Projekts eintauchen lassen. Vielen Dank. Herr Benich, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für unser Gespräch nehmen. Ja, was war denn so die treibende Kraft hinter der Gestaltung des Dorotheen Q quartiers? Vielleicht können Sie ein bisschen was über die Grundidee hinter dem ganzen Projekt erzählen. Also das Dorotheenquartier geht ja erstmal auf den Wettbewerb zurück. Und das Areal war ja im Krieg stark zerstört. Da ist nur dieses Hotel Silber erhalten geblieben. Ansonsten war eigentlich alles zerstört, weitgehend zerstört. Und da wurde in den 50er Jahren dann so ein Ministerium hingebaut unter Bettenbrauen und so weiter. Also es wurden Gebäude damals hingebaut, die nicht der originalen Stadtstruktur entsprochen haben, sagen wir mal so, und die auch tatsächlich der zentralen Lage und Bedeutung zwischen Karlsplatz, Neuem Schloss, Altenschloss und Marktplatz überhaupt nicht gerecht wurden. Also die Häuser waren wichtig, aber wichtiger erschien uns noch, den öffentlichen Raum zu definieren, dass eben diese Rückseite des Bräuninger wieder Teil der Stadt wird. Dass zwischen dem Bereich Schloss, Bräuninger, Karlspassage, dass da wieder ein belebter Teil der Stadt entsteht und dazu braucht man eben diesen öffentlichen Raum. Und dementsprechend haben wir dann diese Stadtbausteine definiert. Es waren ja ursprünglich zwei, nicht wie jetzt drei. Und eigentlich war es auch zu viel Fläche im Wettbewerb, die verlangt war in diesen zwei Stadtbausteinen. Ein weiterer Gedanke war, dass in Stuttgart oft vernachlässigt wird der Blick auf die Stadt nach unten. Also wenn man sich der Stadt nähert über die Weinsteige oder die berühmten Hügel wie Weißenburg, Park Karlshöhe, U-Landshöhe, dass man da immer einen schönen Blick auf die Stadt runter hat. Und die Stadt ist dem eigentlich früher nie gerecht geworden, weil sie immer ihre Dächer vernachlässigt hat. Das war Technik, Flachdächer, war immer hässlich. Und wir haben argumentiert, dass wir eigentlich die fünfte Ansicht brauchen. Wie den Blick von oben. Das heißt, Sie haben den Wettbewerb gewonnen mit den zwei Stadtbausteinen und dann traten ja einige Schwierigkeiten auf, was das Hotel Silber betraf. Im Wettbewerb sollte das Hotel Silber abgerissen werden. Dazu muss man sagen, natürlich das Hotel Silber hat eine ideelle Bedeutung, weil es eben die Gestapo-Zentrale war. Also es ist ein übler Ort. Aber als architektonisches Gebäude jetzt erstmal nicht viel wert gewesen. Es sollte abgerissen werden und dann gab es einen Widerstand in der Bevölkerung. Also die Bürgergesellschaft selber hat wieder mehr Widerstand formuliert als die Politik. Dass der Ort enthalten werden soll. Und das hat uns gezwungen, Ehrenrunden zu drehen und die Sache nochmal zu überdenken und das Hotel Silber zu erhalten. Und plötzlich kam bei uns die Erkenntnis. Dass wenn wir das Hotel Silber erhalten, können wir nicht einfach nur kleiner werden an der Stelle, sondern wir müssen die Proportionen dieser Stadtbausteine nochmals überdenken. Und dann haben wir die Stadtbausteine von zwei in drei unterteilt. Plötzlich haben die Proportionen viel besser gestimmt und tatsächlich wurden die Gebäude auch nutzbarer. Letztendlich hat dieser Gedenkort, diesen Gedenkort erhalten, zu einem Umdenken auch im Städtebau geführt und hat zu einem besseren Ergebnis geführt. Ja, ganz wichtig sind ja auch die Fassaden und die Dachlandschaft, wie Sie vorhin auch gesagt haben. Wie sind die denn gestaltet? Die Häuser haben ja nach ihren Seiten unterschiedliche Fassaden. Zum Schloss hin, zum Karlsplatz, sind sie förmlicher, sind sie in Naturstein. Und dieser Naturstein reicht auch noch bis in die Hälfte der Gassen und Straßen seitlich rein. Die Dächer sind im Prinzip ein Saatdächer. Die Gläsern bedruckt sind aber im Prinzip ein Saatdächer, wo teilweise auch der Stein reinreicht. Was wir wollten ist, wenn Sie das neue Schloss anschauen, gibt es da so einen architektonischen Apparat, so Zierad um die Fenster. Auch wenn das erst nach dem Krieg wieder aufgebaut ist, ist da doch dieser Zierad, der architektonische Apparat, der für seine Zeit steht. Und wir meinten das am besten in eine zeitgenössische Sprache über eine expressive architektonische Elemente übersetzen zu können. Und da kamen wir auf diese Arkaden, die so leicht expressiv ausgestaltet sind, die Fenster, wenn Sie es sich genau angucken, die dann kippen und die nach innen gehen. Eine zeitgenössische Übersetzung vielleicht, könnte man sagen, dieses etwas verspielten architektonischen Apparates. Darüber, die Dächer, die nehmen das Thema des Mansarddaches, des bewohnten Mansarddaches auf, sind sehr gläsern. Wir wollen, dass dieses Dach monolithisch, zumindest tagsüber erscheint als Dach und dass man die Öffnung dahinter vielleicht erahnen, aber nicht direkt sehen kann. Und da arbeitet diese Bedruckung. Darüber hinaus mussten wir ja vor Sonne schützen. Wir haben ja keinen außenliebenden Sonnenschutz. und wir wollten das Dach eben als Element erhalten. Wenn man sich als Architekt so viele Gedanken macht über das Grundkonzept, über die Materialien, konstruktive Details, wie wichtig ist denn dann auch das Handwerk, dass er diese Details dann auch umsetzt? Also welche Rolle spielten denn die ausführenden Firmen, die Handwerker auf ihrer Baustelle oder im Bauprozess? Die ausführenden Firmen spielen immer eine große Rolle, aber natürlich mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Bei der Steinfassade hatten wir eine sehr gute Firma, die mit uns gearbeitet hat an den Steinen. Die Firma war fantastisch. Und auch die Techniker, die Rohbaufirmen, im Prinzip sind alle Firmen wichtig, denn selbst bei der Baugrube und beim Rohbau, wenn man da ins Schlingern kommt, ist der ganze Bauablauf gestört. Aber jetzt von der handwerklichen Qualität, würde ich sagen, waren die Fassadenfirmen besonders wichtig. Okay, warum? Was hat Ihnen denn besonders gut gefallen? Also, dass man vor allem mit der Firma, die den Stein gemacht hat, so gut und kollegial zusammenarbeiten konnte. Und dass die Gefallen daran gefunden haben, etwas handwerklich Besonderes zu schaffen. Das hat man denen angemerkt. Und auch die Firma, die das Dach gemacht hat, als wir die Muster gemacht haben und die Bedruckung ausprobiert haben, wie weit können wir gehen und was können wir machen und dann gab es eins zu eins Muster und da standen wir mit Bauherrn drin und haben rausgeguckt und stören die bedruckten Punkte, stören die nicht und wo stören die, sind die zu stark verspiegelt. Also ganz viele Aspekte und das hat man mit diesen Firmen rausarbeiten können. Zum Abschluss würde ich gerne wissen, was das Dorotheen Quartier für Sie persönlich bedeutet. Gibt es irgendwelche Aspekte, die Ihnen besonders am Herzen liegen oder die auch vielleicht zukünftige Projekte beeinflussen könnten? Das Dorotheen Quartier liegt mir aus verschiedenen Gründen am Herzen. Erstens ist es in meiner Stadt, in meiner Heimat. Dann als Stuttgarter, in Stuttgart Aufgewachsener, war der Bräuninger immer das Rathaus, das Zentrum der Stadt. Wenn man mit den Eltern einkaufen gegangen ist, wir gehen zum Bräuninger. Also der Bräuninger hat für die Stuttgarter eine ganz besondere Bedeutung. Und das Dorotheen Quartier als Ergänzung zum Quartier des Bräuninger hat auch städtebaulich und für mich, für meine Heimat her, bedeutet. Architektonisch, glaube ich, war es für uns ein großes, spannendes Lehr-, Lern- und Experimentierfeld, weil wir uns tatsächlich intensiv mit der Bedeutung des öffentlichen Raumes beschäftigt haben, schon im Wettbewerb. Und ich glaube, besser verstanden haben, dass wir Architekten auf dem Irrtum aufsitzen, dass unsere Gebäude eine solch Bedeutung haben. Unsere Gebäude werden im Inneren von 99,9 Prozenten, die unserer Architektur ausgesetzt sind, niemals erlebt. Sondern für die sind das Stadtelemente, die vor allem primär in den ersten fünf Metern erlebt werden und darüber nur aus der Ferne oder man schaut hoch, weil es einen interessiert. Wir konnten hier sehr konzentriert, intensiv mit der Bedeutung der Stadt arbeiten. Ich habe verstanden, die Bürgerbeteiligung, vor allem weil es getrieben war von der Bürgerschaft in Stuttgart mit dem Hotel Silber, mit dem Gedenkort, dass eine Sache, die wir Architekten oft als lästig empfinden, nämlich die Bürgerbeteiligung, einen hohen Wert hat, weil wir auch gezwungen sind, Dinge zwei-, dreimal zu überdenken. Aber auch, dass die Bürgerbeteiligung nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht darstellt. Das heißt, die Bürgerinnen und Bürger, die sich beteiligen, müssen sich an einem Prozess beteiligen und können nicht nur zu einer Veranstaltung kommen. Nach unserem Gespräch mit Stefan Behnisch schauen wir uns noch ein wenig die konstruktiven Details an. Die Fassaden der einzelnen Gebäude unterscheiden sich in Materialität, Geometrie und Komplexität. So erhält jedes Gebäude einen individuellen Ausdruck, aber trotzdem bilden sie ein stimmiges Ensemble. Die Bürobereiche sind hauptsächlich mit Naturstein- und Aluminium-Glasfensterelementen bekleidet, während die Shopfronten als großflächige Stahlpfosten-Riegelfassaden gestaltet sind. Alle verglasten Fassadenbereiche sind mit dreifach Isolierverglasungen und hochwärmedämmenden Profilkonstruktionen ausgestattet. Die Dachlandschaft ist eine komplexe Stahl-Glas-Konstruktion, die verschiedene Neigungen und Knicke aufweist. Die Verglasungen sind unregelmäßig hell bedruckt, was der gesamten Masse aus der Fußgängerperspektive betrachtet eine gewisse Leichtigkeit verleiht. Das Dorotheen Quartier verfügt aber nicht nur über steile Dachbereiche, sondern auch über komplexe Flachdachkonstruktionen. Spezielle Anforderungen erfüllen müssen. Daher wurde das Flachdach hier als sogenanntes Kompaktdach ausgeführt. Lassen Sie es ein wenig tiefer in die technischen Aspekte des Kompaktdachs eintauchen. Hierzu habe ich einen zweiten Gast in diese Episode eingeladen. Maximilian Ernst ist der Leiter der Anwendungstechnik beim Dämmstoffhersteller Puren und wird über die Besonderheiten der Flachdachausführung beim Dorotheen Quartier berichten. Herr Ernst, welche Produkte wurden von Puren für das Dorotheen Quartier verwendet? Und was ist das Besondere daran? Das war das Puren PIR Class C. Das Besondere daran ist, dass es eben schwer entflammbar ist. Also das ist der Brandverhaltensklasse C S3D0. Damals galt das noch als schwer entflammbar entspricht. Das war hier für dieses Projekt, das ja an die Hochhausgrenze rangeht, war das eben wichtig. Das war eigentlich mit nicht brennbarer Dämmung geplant und wurde dann offenbar erst in der Bauzeit, während der Bauphase, wurde das umgestellt, weil man gemerkt hat, dass die Anschlusshöhen und auch die Aufbauhöhen zu groß wurden. Und dann hat man eben nach Lösungen gesucht, die trotzdem brandsicher sind, aber eben den hohen Wärmeschutzstandard auch mit geringeren Schichtdicken hinkriegen. Das Flachdach ist als Kompaktdach ausgeführt. Was genau ist denn ein Kompaktdach? Ein Kompaktdach ist eine spezielle Verlegeart oder eine Verarbeitungstechnik. Dabei werden die Dämmplatten in Heißbitumen verklebt und zwar vollflächig und auch vollfugig. Das heißt, immer zwischen den Dämmplatten soll sich ein kleines Häutchen aus Heißbitumen oder dann eben erkalteten Bitumen bilden, das dann der Abschottung dient, mit dem Vorteil, dass eine Perforation immer nur eine Dämmplatte betrifft. Das heißt, wenn dann dort tatsächlich Feuchte eindringen könnte, wäre nur eine einzige Dämmplatte betroffen. Das macht man nur bei sehr wertvollen Dächern und das ist auch natürlich wertvoll, wenn man die Verarbeitungszeit betrachtet. Warum hat man sich damals dafür entschieden, das Dämmmaterial zu verkleben? Hätte man nicht auch mechanisch befestigen können? Es gibt unterschiedlichste Ansätze oder unterschiedlichste Gründe, warum man verklebt. Zum Beispiel, weil eine mechanische Befestigung aufgrund des Untergrundes nicht möglich ist. Das ist auch häufig so, gerade bei Spannbetondecken. Da können Sie nicht einfach jede Menge Dübellöcher reinmachen, dann geht die Spannbetondecke kaputt. Da ist es zum Beispiel gar nicht möglich. Da muss man verkleben, auch wenn es um sehr, sehr hohe Windlasten geht. Also im Hochhausbereich oder an exponierten Stellen ist eine Verklebung sicherlich gut, weil sie eben eine vollflächige Verklebung auch sehr hohe Lasten aufnehmen kann. Es gibt immer Gründe, es eben auch verklebt auszuführen und das ist eben eine Abwägung dessen, der das Dach plant. Da haben wir auch gar keinen Einfluss drauf. Wir sind nur der Dämmstoffhersteller. Wir können auch nur sagen, wenn du verklebst, dann beachte bitte dies und jenes. Und wenn du mechanisch befestigst, dann haben wir eben andere Regeln. Wir können aber keinen Anfluss drauf nehmen und wollen das auch nicht, wie das Material oder warum das Material jetzt verklebt wird oder mechanisch befestigt wird. Das können wir nicht beeinflussen. Das ist eine Sache des Planers. Ich habe bei meiner Recherche gelesen, dass ein Kompakter heute nicht mehr mit dieser Dämmung ausgeführt werden würde. Was hat sich denn seit der Bauphase des Dorotheen Quartiers geändert? Also was sich seither geändert hat, es wurden die Anforderungen an schwer entflammbare Baustoffe verschärft. Wir haben dann auch nachgelegt und haben auch das Peer Class C abgelöst durch die Puren Secure. Die hat jetzt nicht mehr die Klasse C, sondern BS1D0. Das ist also die beste Klasse, die ein schwer entflammbares oder die ein brennbares Produkt überhaupt erreichen kann. Das ist also in unmittelbarer Nachbarschaft zu den nicht brennbaren Dämmstoffen und Baustoffen. Also ein sehr guter Brandschutz und auch eine sehr gute Druckfestigkeit, sehr hohe Druckfestigkeit. Und auch das kann man im Kompaktdach verarbeiten. Das hat sich auf jeden Fall schon mal geändert. Und ansonsten darf man auch manche Bitumensorten nicht mehr verwenden für das Vergießen. Aber das sind dann eben Dinge, die jetzt den Bitumenhersteller betreffen, nicht uns. Sind diese Kompaktdächer eigentlich reversibel? Kann man die Dämmschicht irgendwie wieder abbauen? Nein, das ist sehr intensiv verklebt und eben auch, also was man gut runterkriegt, ist immer die Dachhaut selber, die Membran selber. Aber die Dämmplatten sind ja auch untereinander verklebt. Also die Dämmschicht abzubauen ist tatsächlich fast nicht möglich. Also Kompaktdach wird eben so kompakt verklebt für bestimmte Anwendungen. Das ist jetzt auch eine sehr besondere Geschichte. Ansonsten ist es natürlich schon so, dass man sich um mechanische Befestigungen bemüht. Im Stalldach ist das gar keine Frage. Im Stalldach wird sowieso mechanisch befestigt. Das heißt, wenn man dort in 50 Jahren mal zu dem Schluss kommt, dass man es doch erneuern muss, dann würde man einfach die Schrauben rausdrehen und könnte die Dämmplatten, so wie sie eingebaut wurden, auch wieder wegnehmen. Da wäre es überhaupt kein Problem. In vielen anderen Bereichen des Flachtdachs wird auch mechanisch befestigt. Und ich denke, dass hier auch vermehrt vom Kleben auf mechanische Befestigung übergegangen wird. Die Fragestellungen sind relativ jung. Die sind eigentlich erst in den letzten drei, vier, fünf Jahren wirklich laut geworden, dass man an das Ende des Lebens denkt, eines Bauteils. Und viele Flachdächer sind eben älter und die werden auch älter. Die können ohne weiteres 30, 40, 50 Jahre alt werden. Und dann ist immer noch die Frage, ob es denn weise ist, dann das Flachdach tatsächlich abzureißen oder ob es nicht auch Möglichkeiten gibt, es zu bewahren. Denn die Dämmung tut auch nach 50 Jahren noch das, wofür sie geschaffen wurde. Und man kann natürlich nur das Bauteil überarbeiten, zum Beispiel die Abdichtung ertüchtigen, die natürlich eine endliche Lebensdauer hat. Und das ist sicherlich der bessere Weg, um damit umzugehen, als ein Abbruch und Entsorgung. Welche Rolle spielen denn die Fachfirmen bei der Ausführung solcher speziellen Flachdächer? Könnten das auch verfremden? Also allgemein ist es gut, dass es Fachleute gibt noch und es ist auch gut, dass wir auch im Flachdachbau den Meisterzwang haben. Ja. Denn wir merken eigentlich immer, wenn es nicht Fachleute sich auch an einem Flachdach versuchen, dass es eben nicht so leicht ist, dass eben sehr viel Wissen und Erfahrung in jedem Flachdach drin steckt. Und dass eben auch Dinge schief gehen können, wenn sich Fachfremde daran versuchen, die vermeidbar gewesen wären. Und gerade im Kompaktdach, wenn das keine Profis machen, dann geht es in aller Regel schief. Also gerade im Kompaktdach, das setzt ein hohes Maß an Fachwissen und auch an Erfahrung voraus. Das Dorotheen Quartier ist mehr als nur eine gelungene Kombination aus Stein, Glas und Metall. Es ist ein lebendiges Kapitel in der Geschichte und Zukunft der Stadt Stuttgart. Das Quartier greift den historischen Kontext Stuttgarts auf und interpretiert ihn neu. Damit ist ein zugänglicher Stadtraum entstanden, der die Karlspassage, die Markthalle und den Karlsplatz miteinander verbindet. Es ist ein gutes Beispiel dafür, wie eine durchdachte Mischung aus Wohnen, Arbeiten und hochwertigem Einzelhandel zur urbanen Atmosphäre beitragen kann. Der sorgfältig gestaltete öffentliche Raum um uns herum dient nicht nur als Treffpunkt für die Stuttgarter, sondern zieht auch Besucherinnen und Besucher aus der ganzen Welt an. Das Dorotheen Quartier verleiht der Innenstadt ein neues, dynamisches Gesicht. Abschließend möchte ich mich herzlich bei meinen Interviewgästen Stefan Benig und Maximilian Ernst für die interessanten Gespräche bedanken Ein besonderer Dank geht auch an die Firma Puren für die Informationen zum Kompaktdach Seid ihr neugierig auf mehr? In den Shownotes findet ihr vertiefende Informationen zum heutigen Thema Schaut dort unbedingt mal rein, Habt ihr eigene Geschichten aus der Architektur, Bautechnik oder Baukultur? Oder habt ihr Fragen zu Architektourist? Dann schreibt mir gerne an kontakt.architektourist.de oder vernetzt euch mit mir auf LinkedIn. Ich freue mich auch über eure Kommentare zur Episode auf Spotify oder Apple Podcasts. Und wenn euch der Podcast gefallen hat, lasst doch bitte eine Bewertung da. Das hilft mir sehr. Und damit schließen wir die heutige Episode. Ich hoffe, ich konnte euch damit vielleicht auch für eigene Projekte inspirieren. Vergesst nicht, den Podcast zu abonnieren, um keine Episode zu verpassen. Ich bin Alexandra Busch und bedanke mich herzlich für eure Zeit heute. Freut euch schon auf das nächste Mal, wenn wir wieder faszinierende Bauten erkunden. Bis dahin, bleibt kreativ und inspiriert. Tschüss! Das war's schon wieder mit einer weiteren Folge von Architektourist. In jeder Episode nehmen wir euch mit in die Welt der Architektur und Baustoffe, erkunden kreative Anwendungen und tauchen ein in die Geschichten hinter den Bauprojekten. Von der ersten Skizze bis zur fertigen Umsetzung. Hat euch unser heutiger Ausflug gefallen? Dann abonniert Architektourist bei eurem bevorzugten Podcast-Anbieter. Ihr habt Fragen oder Vorschläge? Wir freuen uns auf eure Nachrichten unter kontakt.architektourist.de, Seid also beim nächsten Mal wieder dabei, wenn wir eine neue Seite in unserem Architektur-Reisetagebuch abschlagen.

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